Russland Big Baltic Jammer – wie Putin von Kaliningrad aus Flugzeuge in die Irre führt
Seit Monaten werden die Navigationsdaten von Flugzeugen über der Ostsee durch falsche Daten gestört. Eine Analyse konnte den Standort des Störsenders nun bestimmen.
Seit Beginn des Jahres spielen die Navigationsdaten im Ostseeraum verrückt, Flugzeuge und Schiffe werden in die Irre geführt. Die Daten gaukeln ihnen eine Route vor, die Kilometer von der echten Position entfernt ist. Eine neue Auswertung der Daten zeigt nun offenbar, was ohnehin befürchtet wurde: Der Big Baltic Jammer – der große Ostsee-Störsender – befindet sich höchstwahrscheinlich in der russischen Enklave Kaliningrad, so der X-Account «Markus Jonsson» – ein Pseudonym. Dazu wurden die Störungen der zivilen Luftfahrt ausgewertet. «Für mich besteht kein Zweifel mehr. Der Jammer ist in Kaliningrad, ich glaube an der Küste.» Der anonyme Account verfolgt akribisch die Störungen über der Ostsee und stellt den Datensatz zur Überprüfung zur Verfügung.
Bislang unbekanntes Ausmaß
Zu Störungen von Satellitensignalen kam es schon öfter, etwa im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Doch häufig handelte es sich um Maßnahmen der Kriegsführung, deren «Nebenwirkungen» auch benachbarte Regionen erreichten. Das ist beim Baltic Jammer nicht der Fall, er wird absichtlich eingesetzt, um die Navigation im Ostseeraum und in Osteuropa zu stören. Die Störangriffe betreffen immer wieder andere Regionen. Mal liegt das Zentrum in Schweden, mal in Polen.
Inzwischen kommt eine fortgeschrittene Technik zum Einsatz, die Signale werden nicht nur gestört und unbrauchbar gemacht. Teilweise werden die Empfangsgeräte gezielt in die Irre geführt – das sogenannte «Circle Spoofing». Es ist besonders gefährlich, weil die Geräte so eine Störung nicht anzeigen. Im Falle eines Konfliktes ist schon die bloße Fähigkeit zur Irreführung von Vorteil, weil der Gegner seinen Navigationsgeräten nicht mehr trauen kann und jede Bewegung absichern muss.
Moskau reagiert mit der Welle an Störungen darauf, dass die Nato an den russischen Grenzen präsenter wird, etwa durch das Raketenabwehrsystem in Polen. Die aktuellen Maßnahmen dürften auch mit dem NATO-Großmanöver Steadfast Defender 2024 zusammenhängen. Derartige Störungen bergen immer eine Gefahr für den zivilen Luftverkehr und die Schifffahrt.
Hohes Innovationstempo
Und sie sind weit mehr als nur ein Ärgernis. Im Ukraine-Krieg hat sich die Bedeutung der elektronischen Kriegsführung gezeigt. Das Stören von Drohnensignalen kann heute Schlachten entscheiden. Die Russen sind der westlichen Technik auf diesem Feld gewachsen, tendenziell sogar überlegen. Das Jammen der GPS-Signale wie über der Ostsee ist nur ein kleiner Teil des Arsenals. Im Konfliktfall würden solche Störungen den Gegner vermutlich nicht komplett lähmen, seine Aktionen aber deutlich behindern.
Es hat sich auch gezeigt, wie schnell hier die Entwicklung voranschreitet. Störungen und Gegenmaßnahmen erfolgen im Takt weniger Wochen. Das ist eine Herausforderung für ein vorhandenes militärisches Großgerät. Einfache Drohnen können in der Produktion schnell auf andere Frequenzen und Antennen angepasst werden. Die Russen sollen zum Beispiel störungsresistente Drohnen entwickelt haben, die mit einem dünnen Glasfaserkabel gesteuert werden. Das teure militärische Großgerät dagegen ist häufig Jahrzehnte alt und auch die Modernisierung der Elektronik liegt Jahre zurück. Derartige Systeme können nicht in diesem Tempo angepasst werden.