In einem modernen Office ist alles digital? Das entspricht nicht ganz der Realität. In vielen Büros wird so einiges ausgedruckt, dass man sich am PC anschauen kann, ohne auch nur ein Blatt Papier zu nutzen. Genau diesem Gedanken folgt auch der Gründer von Amagno. Jens Bücher ist seit Jahren ein Paper Hater und arbeitet ausschließlich digital. Sein Unternehmen unterstützt andere Unternehmen bei der Umstellung und Ausführung vollkommen digitaler Systeme. Wie er dorthin kam, wie sein vorheriges Unternehmen ihm jetzt zu Gute kommt und welche Meilensteine er bereits erreicht hat, berichtet er im Gründer-Geheimnis.
Idee und Gründung
Wie genau entstand die Geschäftsidee für Amagno? Beschreibe bitte den genauen Moment.
Ich habe jahrelang im Öffentlichen Dienst gearbeitet. Als junger Mensch war ich frustriert von den unnötigen Papierbergen, bei denen sich jeder Kopien aus dem Prozess gemacht hat. Dazu dann auch die Suche nach den analogen Umlaufmappen. Chaos und Nichtauffindbarkeit im Dateisystem. Das hat mich immer getrieben und beschäftigt. Als ich einen Prototypen entwickelt hatte, auf eine Freewareseite gestellt und 20.000 Downloads innerhalb kürzester Zeit erhalten hatte … ja, das könnte man genau als DEN Moment bezeichnen.
Du hast bereits vorher ein Unternehmen gegründet. Kam dir das bei Amagno zu Gute?
Amagno war das Learning aus meiner vorherigen Gründung im gleichen Segment. Dies war komplett browserbasiert. Die Anwender wollten aber nicht auf den Luxus des direkten Dateiöffnens und Bearbeitens von Dateien verzichten, was bis heute nicht direkt über Browser geht. Und viele weitere Learnings im Bereich der Bedienerfreundlichkeit und Skalierung. Des Weiteren sollte der Automatisierungsgrad sehr hoch sein. Die Dokumente sollten selbst ihren Ablageort finden. Suchaufwände nach Ordner und Falschablage sollten damit vermieden werden. Dies war in Summe das Konzept für Amagno, welches ich dann neu begonnen habe. Das hat mir gezeigt, dass es sich lohnt, doch noch mal neu anzufangen.
Wie lief die Namensfindung ab? Warum hast du dich für „Amagno“ entschieden?
Nach dem Öffentlichen Dienst durfte ich als Entwickler für einen Web Content Management Anbieter mit dem Namen InfoOffice anfangen. Das Produkt hieß aber RedDot. Im Sales ist das sehr erschwerend. Schritt 1: Firmenname muss auch Produktname sein. Schritt 2: Die Interessenten suchen bis heute in Marktübersichten. Diese sind der Fairness nach alphabetisch sortiert. Also musste der Anfangsbuchstabe ein A sein. Schritt 3: RedDot bezeichneten direkt den USP, nämlich ein rotes, rundes Icon im Browser zum Editieren. Analog sind bis heute unsere digitalen Magnete ein USP. Diese ziehen die Dateien automatisch an die richtige Position und extrahieren Daten aus Dokumenten. Perfekt ist es, alle diese Schritte zusammenzuführen und prüfen, welche Domains noch frei sind. Amagno war geboren.
Wie und wann hast du erkannt, dass du deine Idee in einem eigenen Unternehmen umsetzen willst?
Bei RedDot fühlte ich mich sehr wohl. In der täglichen Kommunikation mit Kunden war klar, dass diese nicht nur kein vernünftiges WCM besaßen, sondern auch kein DMS. Ich versuchte, den Gründer zu überzeugen, die Welten zusammenzuführen. Damals war das für ihn nicht attraktiv, aber ich habe den Markt gesehen und bin das Risiko eingegangen.
Wie ging es dann weiter? Was waren die nächsten Schritte für Amagno?
Zunächst war der Glaube an den schnellen Erfolg da. Ich kündigte meine Tätigkeit bei RedDot und hatte dann noch 2.000 EUR Auszahlung Urlaubsgeld. Meine damalige Lebensgefährtin war eine solche Gründung zu heiß, sodass die Beziehung nicht mehr klappte. So saß ich dann schnell alleine in einer Mietwohnung und versuchte, mit den 2.000 EUR zu leben und das Business aufzubauen. Dies gelang auch mit sehr viel Mühe.
Beim Gründen läuft nicht immer alles glatt: Was würdest du das nächste Mal nicht nochmal so machen?
Die Perspektiven für den Sprung aus meiner Angestelltenwelt zur Selbstständigkeit zu meiner ersten Firma klangen super. Das Arbeitsamt versprach damals Überbrückungsgeld, die Bank bot mir in Anwesenheit meines Steuerberaters für meinen sehr guten Businessplan gleich ein Gründerdarlehen an und man wollte mich sogar aus dem Stand heraus für einen Gründerpreis anmelden. Meinen ersten Entwickler konnte ich nur durch Abgabe von Geschäftsanteilen bezahlen. Und vieles mehr. Aber alles das stellt sich als Irrtum heraus. Das Arbeitsamt entschied gegenteilig. Die Bank versagte nach interner Rücksprache doch das Darlehen (der Bescheid hängt bis heute bei mir an der Wand) und einen Mitarbeiter ohne GbR Vertrag so zu bezahlen ist später auch keine gute Idee.
Heute würde ich sagen: Ein erfolgreiches Unternehmen beginnt mit einer grandiosen Idee mit einem perfekten USP, mit großartigem Marketing – und dafür braucht man Kapital. Und zwar nicht zu knapp. Auch in meiner zweiten Firma fehlte Startkapital mangels Investoren im B2B Segment. Das Wachstum ist so stark gebremst. Hier bieten sich Business Angels an, wie bei meiner zweiten Gründung. Aber die Startup Szene ist mittlerweile mit diversen Fonds und Investoren gut aufgestellt. Leider vorrangig im scheinbar vielversprechenden B2C Markt.
Also: Sorgt für ausreichend Kapital (vergesst Banken und Fördergelder), für tolle Kollegen ab der ersten Stunde, viel Mut zum Risiko und eine leidensbereite Beziehung. Das hilft für den Start. Und fangt so früh wie möglich an, damit ihr mehr Zeit für eure Learnings habt. Nicht aufgeben! Ich hätte buchfüllend Ausreden zum Scheitern gehabt. Wenn man wirklich überzeugt ist, dann findet man auch Möglichkeiten und Rat. Gründen ist nicht bequem, es ist harte Arbeit – und danach auch. Es ist wie mit wachsenden Kindern. Die Herausforderungen werden nicht kleiner, sondern anders.
Die Branche
Wie viel Potenzial besitzt diese Branche, warum hast du dich für diesen Bereich entschieden?
Die Branche weltweit hat ein Potenzial von 8 Mrd EUR. Viele Länder in der Welt sind in unserer Branche noch gar nicht entwickelt. Die Digitalisierung von Prozessen und Dokumenten ist oftmals immer noch eine grüne Wiese. Auch noch in Deutschland. Es ist meine Motivation und Mission, dies zu lösen und in die Welt zu tragen.
Wie wichtig ist es, über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen?
Digitalisierung ist sicher nicht „grün“, aber es kann enorm zur Nachhaltigkeit beitragen. Im Privaten wie auch im Beruflichen. Digitale Technologien können maßgeblich zur Erreichung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen beitragen: Sie haben das Potenzial, über ein Drittel der von Deutschland für 2030 gesetzten Klimaziele zu unterstützen. Laut Bitkom kann der CO2-Ausstoß durch den gezielten und intensivierten Einsatz digitaler Lösungen bis zum Jahr 2030 um 133 Megatonnen verringert werden. Deutschland gehört mit zu den Ländern mit dem höchsten Papierverbrauch pro Kopf. Dies kostet Energie, Wasser und vieles mehr. Digitale Technologien in unserer Branche beenden zudem auch Transportwege für Papier zwischen Unternehmen, auch weltweit. Ich kenne Firmen, die Seecontainer mieten, um Papierbelege über Seewege nach Deutschland, dann über die Straße in das Unternehmen zu liefern und dort zu verarbeiten. Das ist für mich komplett inakzeptabel, was Nachhaltigkeit anbelangt. Auch ist es teuer und unproduktiv. Das müssen Unternehmen erkennen. Das zu erreichen, erfüllt mich mit Sinn und Motivation.
Welche Trends nimmst du in dieser Branche gerade wahr?
Hey, soll ich was anderes sagen als KI? Vor einem Jahrzehnt war KI eine Marketinglüge in unserer Branche. Jetzt kann man KI ernst nehmen. Es stecken eindrucksvolle Möglichkeiten darin, Inhalte auszuwerten, zusammenzubringen, zusammenzufassen, abzugleichen, zu bewerten und vieles mehr. KI kann unsere Branche mit den aktuellen Ansätzen der manuellen Datenextraktion mit den begrenzten Möglichkeiten komplett verändern. Hier bin ich auf die Entwicklung gespannt und wir werden an dieser Disruption mitwirken.
Weiter vorangetrieben wird dies durch die neue E-Rechnungspflicht, die das Papier für Rechnungen zwischen Unternehmen beendet. Sobald sich die Anwender daran gewöhnt haben, fallen die nächsten analogen Formate. Und damit auch das klassische Dokument an sich. In der Konsequenz wird das klassische Dokument aber auch insgesamt an Bedeutung verlieren. Daher liegt auch der Fokus auf den perfekten Workflowsystemen, die nahtlos wie ein PDF Standard zwischen Unternehmen passieren. Mit oder ohne Dokumente.
Welche Meilensteine hast du mit amagno schon erreicht?
Zuerst einmal habe ich das verflixte siebte Jahr erreicht. Wir sind etabliert und stabil. In diesen sieben Jahren habe ich enorm viele Stürme überstanden, inklusive einem kompletten Turn Around. Daher ist „etabliert und stabil“ nicht langweilig, sondern für mich ein wichtiger Meilenstein für die nächsten Wachstumsphasen. 80 Prozent sind bereits wiederkehrende Einnahmen, und ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr 100 Prozent der Kosten durch wiederkehrende Einnahmen übersteigen.
Auf diesem Weg lagen aber auch zahlreiche Erfolge, wie diverse Auszeichnungen als eine der schnellsten wachsenden Digitalunternehmen in Deutschland und sogar EMEA. Viel wichtiger ist mir aber, dass Zehntausende Anwender Amagno benutzen, statt Berge an Papier zu nutzen. Dass sie digitale, schnelle Prozesse verwenden und mehr Zeit für Produktivität haben, statt unnützer manueller Arbeit nachzugehen.
Was macht Amagno so besonders? Wie grenzt du dich von der Konkurrenz ab?
Magnete. Magnete sind unser einfacher Begriff für einen hohen Automatisierungsgrad. Digitale Magnete erkennen aus beliebigen Dokumenten relevante Daten für die Weiterverarbeitung, ohne etwas abzutippen. Ebenso sorgen diese Magnete für eine automatische Zuordnung in frei definierbaren Strukturen oder digitalen „Akten“.
Gleichzeitig bieten wir den Kunden eine extrem schnelle Inbetriebnahme, kostenfreie fertige Prozesse in unserem integriertem Solution Store, eine hohe Eigenverantwortlichkeit in der Administration, kein Scripting (No Code) und vieles mehr. Im Kern adressieren wir seit jeher, dass Menschen schnell die Probleme mit Papier und Prozessen lösen wollen, ohne von Vertrieblern genervt zu werden. Finden, installieren, Probleme lösen. Fertig. Nichts anders ist auch der Anspruch der aktuellen Mitarbeiter- und Entscheidergeneration, was sich aus dem privaten digitalen Umfeld auch beruflich auswirkt.
Alltag
Welche Marketing-Kanäle hast du für Amagno bisher genutzt?
Das kann ich nur bedingt beurteilen, weil wir im Marketing nicht erfahren genug sind. Im Grunde haben wir fast alles ausprobiert und in vieles investiert. Wir haben ja ein B2B Produkt, sodass nicht alles funktioniert. Wir machen keine Kaltakquise und kombinieren kostenpflichtige Ads in den Suchmaschinen mit einem guten SEO Ranking. Dies erzeugt bislang die meisten Leads. Durch Investitionen würden sich die Leadzahlen aber noch mal auf anderen Kanälen deutlich multiplizieren lassen und den Umsatz in ganz andere Bahnen bringen. Hier macht sich fehlendes Wachstumskapital bemerkbar, nach dem ich seit Jahren erfolglos suche.
Auf was in deinem (Arbeits-)Alltag kannst du nicht verzichten?
Ich liebe meine Werkzeuge, die ich täglich einsetze. Statt Papier setze ich auf mein Remarkable Tablet. Auf meinem Schreibtisch steht ein Microsoft Surface Studio. Seit neustem setze ich ein Honor Fold V2 ein, was ein geniales Stück Hardware ist. Damit habe ich zu Hause meinen PC ersetzt. Das Smartphone ist dort mit einem Monitor, Maus, Tastatur und Headset verbunden und stellt drahtlos direkt einen kompletten Desktop dar (Magic Desktop von Honor). Davon habe ich immer geträumt, dass mein Smartphone auch mein „PC“ ist. Im Alltag bin ich also ein kleiner Techniknerd und entfliehe dem Arbeitsalltag auch entsprechend in die VR.
Auf was ich aber am wenigsten verzichten kann, ist die Arbeit im Office. Ich mag das. Ich finde es toll, die Talente um mich herum zu haben, die jeden Tag mithelfen, meinen Sinn zu erfüllen. Leider hat sich das massiv geändert, und ich muss akzeptieren, dass andere sich eher Zuhause oder mobil wohlfühlen. Mir fehlen diese sozialen Komponenten sehr.
Hast du einen spannenden Tipp für angehende Gründer?
Es gibt so vieles, aber im Kern geht es darum, die Lösung zu schaffen, die sich verkauft. Erschafft man eine Lösung im B2C-Umfeld, ist das Marktpotenzial größer und für Investoren bereits zum Start interessant. Dies sollte aber natürlich auch zum Selbstcheck mit Daten belegbar sein. Dazu kommt aber die Umsetzungsidee der Lösung. Ich habe mir ein komplexes B2B Softwareprodukt gewählt. Dies erfordert hohe Aufwände und damit Kosten in der Entwicklung und reduziert Gewinne. Und wenn ihr derzeit Investoren haben wollt: Macht Gewinne! Bis heute bleiben mir Investoren verwehrt, weil wir jedes Jahr das Geld in die Firma für Wachstum investiert haben, statt Gewinne auszuzahlen. Wenn ihr wachsen wollt, braucht ihr Kapital. Externes Kapital. Und hier investiert man in erfolgreiche Geschäftsmodelle, und dies definiert sich durch Gewinne.
Sucht euch die bestmögliche, einfachste, umzusetzende Idee. Erschafft schnell Prototypen, um Feedback von Anwendern zu erhalten und das Produkt anzupassen. Kommerzialisiert die Prototypen schnell. Wenn die Idee die Anwender wegbläst, dann verkraften die auch ein nicht perfektes Produkt. Setzt auf Design und aktives Marketing. Dann wird das schon gut anlaufen. Ich habe zahlreiche weitere Tipps durch die Erfahrungen. Gründer dürfen mich für einen Rat auch gerne kontaktieren, denn einen Mentor hätte ich damals sehr gebraucht.
Nutzt du KI-Tools, um dir den Arbeitsalltag zu erleichtern?
Natürlich, wer macht das nicht. Und wer weiß, was moderne KI alles mit Dokumenten und Daten machen kann, weiß auch, dass meine Branche bald vor einer Disruption steht. Beispielsweise muss ich einem ECM System nicht mehr beibringen, was das für ein Dokument ist und welche Daten es beinhaltet. Die KI „weiß“ es. Und ich kann extrem flexibel alle Daten in einen Zusammenhang bringen. Es schlägt mir sogar automatisch passende Geschäftsprozesse vor. Auf der Basis will ich künftig die Mission noch effektiver erfüllen und die Disruption anführen, statt Opfer zu werden.