Drohnen teils zivilen Ursprungs prägen den Krieg in der Ukraine. Lange schienen sie unbesiegbar, inzwischen hat sich die Abwehr verbessert – verschwinden werden die Billigwaffen aber nicht.
Der Krieg in der Ukraine wird von Drohnen bestimmt. Einen Vorgeschmack gaben schon die Kämpfe um Bergkarabach. In der Ukraine zeigt sich aber, wie schnell sich der technisierte Krieg ändert. In den Auseinandersetzungen um Bergkarabach und zu Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine dominierten relativ große Drohnen mit hoher Reichweite. Sie setzten insbesondere den mechanisierten russischen Kräften stark zu. Die Bayraktar-Drohne aus der Türkei wurde zum Panzerkiller. Inzwischen spielen die großen Kampfdrohnen keine Rolle mehr. Die hochfliegenden, langsamen Drohnen sind leicht auszumachen und werden von der dichten Luftabwehr über dem Frontgebiet erfolgreich bekämpft.
Im Vergleich zu einem Kampfjet ist ihr Preis gering, aber als Einmal-Waffe sind sie viel zu teuer. Sie wurden von kleineren Systemen abgelöst. Aber auch rein militärische Entwicklungen wie die Anti-Panzer-Waffe «Switchblade» aus den USA verloren ihre Tödlichkeit. Den Russen gelang es schnell, ihren Anflug zu stören, so dass auch sie kaum noch eingesetzt werden.
Billige Drohnen mit zivilen Ursprüngen
Stattdessen werden einfache Drohnen eingesetzt, häufig auf der Basis ziviler Modelle. Teils mit Modulen ziviler Produkte, die in einem angepassten Rahmen aus dem 3D-Drucker montiert werden. Ihre Vorteile liegen auf der Hand. Sie sind sehr billig und lassen sich in großen Stückzahlen beschaffen beziehungsweise montieren. Weniger offensichtlich ist ein weiterer Vorteil: Diese Minidrohnen lassen ein hohes Innovationstempo zu. In sehr kurzer Zeit können Bewaffnung und vor allem die Steuerung angepasst werden. Mit diesen Veränderungen wird auf die elektronischen Störmaßnahmen der Gegenseite reagiert.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Wirkung der Mini-Drohnen allerdings überschätzt. Jeder Einsatz wird von einer Kamera aufgezeichnet. Die Operateure zeigen nur erfolgreiche Missionen, wie sie mit einem kühnen Manöver den Gegner ausschalten, die Fehlschläge finden nicht den Weg ins Internet. Dazu gibt es systembedingte Einschränkungen. Reichweite und Nutzlast sind gering – etwa dann, wenn man einen Quadcopter mit einer Präzisionsgranate der Artillerie vergleicht.
Drohnen-Abwehr nimmt zu
Gleichzeitig nehmen die Abwehrmaßnahmen zu. Störsender unterdrücken den Einsatz der Drohnen an ganzen Abschnitten. In diesem Feld liegen die Russen vorn, es gelingt ihnen aber nicht, die gesamte Front mit ihren Störmaßnahmen abzudecken. Doch die elektronische Kriegsführung führt dazu, dass ein erfolgreicher Einsatz der Drohnen ungewiss ist. Schafft der Gegner die richtige Ausrüstung herbei, sind die eigenen Drohnen plötzlich wirkungslos.
Dazu kommen Abwehrmaßnahmen der Infanterie, die zu Beginn vollkommen wehrlos war. Das einfachste Mittel zur Drohnenbekämpfung sind Schrot-Mehrlader. Mit einer normalen Patrone ist es kaum möglich, eine Drohne zu treffen, anders sieht es bei dem Kugelkegel der Schrotladung aus. Als Waffe für den letzten Moment werden Schrotpistolen eingeführt. Einen Schritt weiter geht speziell entwickelte Munition, die aus einer Schrotpatrone nur einige Kügelchen ausstößt, zwischen denen sich ein Kevlar-Netz entfaltet. In der Ukraine konnte man bisher nur Bastelstuben mit dieser Munition sehen. Die chinesische PLA hat in einem Video den Prototypen eines mehrschüssigen «Netz-Revolvers» vorgestellt.
Drohne jagt Drohne
Hinzu kommt die passive Bewaffnung. Fahrzeuge und Schützengräben werden mit Käfigen und Maschendrahtzaun geschützt. Teils improvisiert, teils industriell gefertigt inklusive reaktiver Munition. Videoaufnahmen zeigen gern Einsätze, wie diese Schutzschirme durchbrochen oder unterflogen werden. Das ändert aber nichts daran, dass ein erfolgreicher Anflug gegen ein Ziel mit Käfigschutz sehr viel schwieriger ist als gegen ein Ziel ohne.
Inzwischen gibt es handliche Warngeräte, die eine Drohne anhand des Funksignals aufspüren, und weniger handliche mobile Störsender, die mit einem Motorkarren bewegt werden. Größere Lastdrohnen werden von auf Pick-ups oder auf Quads montierten Maschinengewehren bekämpft. Das Fachportal «Hartpunkt» berichtet, dass die großen «Baba-Jaga»-Drohnen, die eine schwere Ladung abwerfen können, inzwischen von First-Person-View-Drohnen zum Schutz begleitet werden. Das gleiche Konzept wie im Zweiten Weltkrieg, als die schwerfälligen Bomber von eigenen Jagdmaschinen abgeschirmt wurden.
Passend dazu gibt es inzwischen Drohnen-Jäger. Kleine, schnelle Drohnen, die das gegnerische Fluggerät entweder rammen oder mit einem abgeworfenen Netz zum Absturz bringen. Das alles sind improvisierte Lösungen, in naher Zukunft wird sich die reguläre Luftverteidigung auf die neuen Ziele einstellen. Bis Kampfpanzer mit einer zweiten automatisierten Waffenstation zur Drohnenabwehr ausgerüstet sind, wird es allerdings noch dauern.
Billig gegen super teuer
Über der Front wird ein Problem zunehmend entscheidend, das mit dem Konzept der «Billig-Waffe» zusammenhängt: Es gibt keine Freund-Feind-Erkennung. Für die Kräfte am Boden ist es nicht zu erkennen, ob die eigene Maschine oder die des Gegners in der Luft ist. Solange man Deckung suchen konnte, war das kein großes Problem, doch sobald die Drohnen effektiv bekämpft werden, wird man auch die eigenen Maschinen abschießen.
Den Drohnenkrieg wird die Seite gewinnen, der es am besten gelingt, die Maschinen des Gegners zu stören oder abzuschießen, um dann die eigenen Drohnen aufsteigen zu lassen. Auch dies ähnelt der konventionellen Kriegsführung: Die Luftherrschaft ist die Voraussetzung, um Bodenziele angreifen zu können.
Die Herausforderung ist enorm, weil das gesamte Land abgeschirmt werden muss. In den letzten Wochen konnte man beobachten, wie kleine russische Aufklärungsdrohnen sehr tief im ukrainischen Gebiet operieren. Sobald sie ein lohnendes Ziel ausgemacht haben, schlägt eine Iskander-Rakete zu. Die Kombination von Aufklärungsdrohnen mit präzisen Fernwaffen ist am gefährlichsten. Sie vereint die Vorteile der Drohnen – klein, unauffällig, schwer zu entdecken – mit der Feuerkraft konventioneller Waffen, gegen die dann weder Käfige noch Netzrevolver helfen.
Kosten und kurze Zyklen
Quadcopter und eigens entwickelte FPV-Drohnen erlebten ihr goldenes Zeitalter, weil es keine wirksame Abwehr gegen diese Waffen gab. Das ändert sich, dennoch wird die Bedrohung durch die Kleinwaffen nicht verschwinden. Es wird eine Spirale von Innovationen und Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt. Die Kleindrohnen profitieren von einer grundlegenden Schwäche der konventionellen Rüstung. Die eigens für das Militär entwickelten Systeme sind sehr teuer und haben eine enorm lange Lebensspanne. Praktisch gesagt: Sobald die Russen das Wrack einer Missile bergen, können sie die Elektronik nach Möglichkeiten, sie zu stören, untersuchen. Eine Waffe wie etwa die «Storm Shadow» ist nicht dafür konzipiert, die Steuerung im Einsatz auszutauschen. Derartige Systeme müssen nun gegen Waffen antreten, die nur wenige tausend Euro kosten und deren Steuerung und Bewaffnung im 14-Tages-Rhythmus verändert werden kann.
KI-Drohnen
Die Mini-Drohnen sind noch lange nicht am Ende angekommen. In der Ukraine werden Maschinen und Module aus China nachträglich militarisiert. Diesen Umbau würde Peking nicht benötigen. Im Ernstfall werden die chinesischen Streitkräfte für den militärischen Einsatz konzipierte Drohnen direkt aus der zivilen Produktion bekommen. Und auf diese Weise auch wesentlich höhere Stückzahlen erreichen. Dazu gibt es immer wieder Gerüchte über autonome Zielerfassung, doch die Drohnen werden nach wie vor von einem Menschen ferngesteuert. Doch schon bald wird es Drohnen mit echter Schwarm-KI geben, die dann koordinierte Angriffe mit Hunderten von Maschinen fliegen können.
Quelle: Hartpunkt