Nachrüstung 2.0 USA schicken Fernwaffen nach Deutschland – das kann die Tomahawk Cruise Missile
Die Tomahawk ist ein Marschflugkörper mit bis zu 2500 Kilometern Reichweite. In Deutschland stationiert, kann sie Ziele tief in Russland angreifen. Sie lässt sich auch atomar bewaffnen.
Woche für Woche greift Russland Ziele tief in der Ukraine mit Fernwaffen an. Mit Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen unterschiedlichster Baureihen – darunter auch Hyperschallwaffen. Bislang drehte sich die Diskussion im Westen vorrangig um die Frage, wie man derartige Angriffe abwehren kann. In der Ukraine, aber auch im Gebiet der Nato-Verbündeten. Bekannte Namen sind das US-System Patriot für lange Distanz oder Iris-T aus Deutschland für mittlere.
Die jüngste Entscheidung von Nato und USA geht einen Schritt weiter. In einer möglichen Konfrontation mit Russland wird es nicht ausreichen, russische Waffen abzufangen. Das Bündnis muss zudem bessere Fähigkeiten besitzen, militärische Ziele in Russland anzugreifen. Mit denen man zum Beispiel die Flughäfen attackieren kann, von denen russische Jets aufsteigen, die dann wiederum Gleitbomben und Marschflugkörper einsetzen.
Tomahawk ist der bekannteste Marschflugkörper der USA
Dazu werden die USA Tomahawk-Missiles und in Zukunft wohl auch Hyperschallwaffen in Deutschland stationieren. Erwähnt wurde in der Ankündigung auch die Stationierung von RIM-174 / SM, eine Abwehrrakete großer Reichweite gegen Luftziele.
Die Tomahawk ist ein Marschflugkörper, der relativ langsam fliegt. Dazu ist er in der Lage, zahlreiche Veränderungen der Route vorzunehmen und kann so niedrig fliegen, dass er das Geländeprofil zur Deckung nutzen kann. Die Waffe wurde in der Vergangenheit bei Militärschlägen der USA regelmäßig benutzt. Sie ist in verschiedenen Versionen seit Mitte der 1970er-Jahre im Einsatz. Dazu hat sie einen einprägsamen Namen und muss sich nicht mit einem Buchstabenkürzel begnügen.
Tomahawks zählen zu den sogenannten Marschflugkörpern. Ihr Urahn ist die «Wunderwaffe» V1 (Fieseler Fi 103) der deutschen Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Flugbahn trägt eine Tomahawk nicht hoch in die Atmosphäre, der Marschflugkörper fliegt bis zu 2500 Kilometer in geringer Höhe und kann so das gegnerische Bodenradar unterfliegen.
Dafür ist die Missile mit 878 km/h relativ langsam. Ein modern ausgerüsteter Gegner hat daher viel Zeit, die Missiles aufzuspüren und abzufangen. Im Prinzip könnte eine Tomahawk sogar von der Bordkanone eines Jets abgeschossen werden.
Die BGM-109 Tomahawk trägt einen Gefechtskopf von 450 Kilogramm, das entspricht in etwa einer schweren 500-Kilo-Bombe. Inzwischen sind diese Missiles sogar relativ preiswert: Eine Tomahawk kostet ab 800.000 Dollar.
Einsatz gegen Bodenziele
Die Tomahawk kann von Schiffen, U-Booten und auch vom Boden aus gestartet werden. Sie ist nicht für den Start aus der Luft geeignet. Ihr Ziel ist immer ein Bodenziel beziehungsweise ein Schiff. Es ist keine Abwehrwaffe gegen Flugkörper. Dazu kann die Waffe mit verschiedensten Gefechtsköpfen ausgerüstet werden. Hinter dem Namen Tomahawk verbergen sich mehrere Generationen mit jeweils verschiedenen Varianten. Sie alle benötigen einen Starter, eine Art Röhre, die die Waffe herausschleudert. Der Start erfolgt zunächst senkrecht, bevor die Waffe in die Marschrichtung schwenkt.
Die USA haben die Tomahawk bisher meist von Schiffen und U-Booten aus gestartet. Bei einer Stationierung in Deutschland kommen eher bodengebundene Systeme infrage, die wiederum Bodenziele und nicht Schiffe angreifen können. Diese Art von Waffen – Ground Launched Cruise Missiles (GLCM) – waren bereits in Europa stationiert (BM-109G), wurden aber 1987 abgezogen und umgebaut. Um auf diese Weise den Intermediate-Range Nuclear Forces Vertrag zu erfüllen, der Mittelstrecken-Waffen aus Europa verbannte. Aus diesem Vertrag haben sich die USA inzwischen zurückgezogen, nachdem sie Russland vorgeworfen hatten, den Vertrag zu verletzen.
Defacto Ende des Sperrvertrags über Raketen mittlerer Reichweite
Mit der Entscheidung, die Tomahawk-Missile nach Deutschland zu bringen, haben die USA den Sperrvertrag über Raketen mittlerer Reichweite nicht nur verlassen, sie beachten ihn auch in der Praxis nicht mehr. Damit verbessert die Nato ihre Fähigkeiten, Ziele in Russland zu treffen, deutlich. Ein Vorteil dieses Marschflugkörpers gegenüber Modellen wie Storm Shadow und aber auch Taurus ist die Möglichkeit, ihn vom Boden aus zu starten. Es wird kein Jet benötigt, der sich exponieren muss und bekämpft werden kann. Außerdem kann ein Gruppenstart erfolgen, weil die Anzahl der Trägerflugzeuge nicht die Menge der Missiles begrenzt.
Wunder darf man sich von den Marschflugkörpern nicht erwarten. Sie können ein hochwertiges Ziel, etwa eine Flugabwehrbatterie, ein Kommandozentrum, einen geparkten Jet oder Ähnliches ausschalten. Im Jahr 2017 hatte Donald Trump das Flugfeld von al-Shayrat in Syrien mit 59 Tomahawk-Raketen angreifen lassen.
Russische Reaktion
Auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine hat die Entscheidung keine Auswirkungen. Sie ist lediglich ein deutliches Signal, dass die USA ihren Schutzversprechen gegenüber den Verbündeten nachkommen wollen, sollte es zu einem russischen Angriff kommen. Der Nachteil dieses Schutzes liegt ebenfalls auf der Hand: Die Stationierungsorte dieser Waffen sind vorrangige Ziele des Gegners. Moskau wiederum dürfte auf diesen Zug der USA reagieren. Putin hat bereits mehrfach damit gedroht, spiegelbildliche Maßnahmen zu ergreifen. Also etwa Gegner der USA mit vergleichbaren Waffen auszurüsten. Hier wäre das Äquivalent, atomwaffenfähige russische Mittelstreckensysteme in Ländern wie Kuba oder Venezuela zu stationieren. Es ist allerdings fraglich, ob der Kreml eine solche Eskalation anstrebt, solange das eigene Militär in der Ukraine gebunden ist.