Söldner Die Schweizergarde kämpfte bis zum letzten Mann – darum schützen sie seit mehr als 500 Jahren den Papst
Die Schweizergarde, die Leibwache des Papstes, sucht stets neue Leute. Katholisch sollen sie sein. Das ist zu verstehen. Und sie müssen Schweizer sein. Warum eigentlich?
Schweizer Gardisten schützen seit mehr als 500 Jahren den Papst und den Vatikan. Ihre farbenfrohe Paradeuniform spielt auf die Zeit der Entstehung an. Sie ist nicht nur in den Farben des Vatikans gehalten. Die gebauschten Ärmel, die Strümpfe und die Baretts stammen dem Stil nach aus dem frühen 16. Jahrhundert. Ebenso die gewaltigen Helme, der Brustpanzer und die Bewaffnung mit der Hellebarde. Die Garde besteht seit dem Jahr 1506, damit ist die Pontificia Cohors Helvetica die älteste aktive militärische Formation der Welt. Unsterblichen Ruhm erlangte die Truppe allerdings erst 21 Jahre später.
Um 1500 stieg die Schweiz für kurze Zeit zur militärischen Supermacht auf. Ende des 15. Jahrhunderts revolutionierten die Schweizer die Kriegsführung zu Lande. Die freien Lande der Eidgenossenschaft wurden von den umliegenden Feudalherren schon seit langer Zeit begehrlich betrachtet. Sie unternahmen Versuche, die Schweizer zu unterwerfen. Doch deren Widerstandswille und ihre Fähigkeit, die Eigenheiten der Landschaft für die Kriegsführung auszunutzen, führten zum Scheitern der Invasoren. In den sogenannten Burgunderkriegen versuchte der Herzog von Burgund, Karl der Kühne, mit dem damals modernsten Heer der Welt die Eidgenossenschaft zu besiegen, und wurde am Ende vernichtend geschlagen. Sein Heer aus gut ausgebildeten gepanzerten Rittern wurde von dem «Gewalthaufen» der Schweizer Bauern überrannt.
Die Schweizer setzten ihre Fußsoldaten in großen Gruppen ein. Sie stellten sich in gewaltigen Rechtecken auf, extrem lange Spieße hielten ihnen die berittenen Ritter vom Hals. Setzten sich diese Haufen in Bewegung, mussten die vorderen Reihen weitermarschieren, der nachfolgende Haufen drückte sie vorwärts. Nichts konnte diese Formationen aufhalten. So passierten zwei Dinge zugleich: Die Infanterie dominierte zum ersten Mal seit Jahrhunderten das Schlachtfeld und kaum ausgebildete Fußsoldaten zeigten sich dem Stand der ritterlichen Berufskrieger überlegen. Diese Männer drangen in das internationale Söldnerwesen und veränderten es gewaltig. Der Krieg wurde zum großen Geschäft.
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Die besten Soldaten der Welt
Natürlich wollte sich auch der Papst von den besten Soldaten der Welt schützen lassen. Sicher hat es auch eine Rolle gespielt, dass man im ränkevollen Rom der Renaissance Landesfremde vertrauenswürdiger fand, als Einheimische. Mit dem Gold der Fugger wurden die ersten 150 «Reisläufer» zum Schutz des Papstes angeworben. Ihre größte Bewährungsprobe hatten sie 21 Jahre später. Ganz Italien versank damals in Kriegen und Chaos. Die Schweizer Art der Kriegsführung wurde schnell adaptiert, auch deutsche und spanische Söldner kämpften inzwischen auf diese Weise. Durch das Söldnerunwesen konnten Herrscher in kurzer Zeit sehr große Heere aufstellen – das taten sie auch. Das Problem: Sie konnten diese Menge an Soldaten nicht bezahlen. Und das geschah auch in Italien. Dort kämpfte der Habsburger Karl V. gegen den französischen König Franz I. – solange bis Karls unbezahlte Truppen rebellierten. Als der Anführer der deutschen Landsknechte, Georg von Frundsberg, einen Schlaganfall erlitt, beschlossen sie zu plündern und sich auf diese Weise schadlos zu halten.
189 Schweizer gegen 24.000 Söldner
24.000 deutsche Landsknechte, spanische Söldner und italienische Condottieri wälzten sich auf Rom zu. Der Papst selbst hatte kaum eigene Truppen, die Milizen aus Bürgern der Stadt wollten den Kampf gegen die kriegserprobten Truppen nicht wagen. Fast mühelos drangen die Söldner in die Stadt ein und richteten dort ein Blutbad an.
Unfähige Berater hatten dem Papst Klemens VII. zuvor versichert, dass der wilde Söldnerhaufen nie die Befestigungen der Stadt durchbrechen konnte. So blieb Klemens in der Stadt und wurde vom Kriegsgeschrei der Söldner im Gebet überrascht. Allein die Schweizergarde von nur 189 Mann stemmte sich gegen die mordenden Söldner. Um dem Papst die Flucht zu ermöglichen, stellten sich 147 Schweizer unter dem Kommandanten Kaspar Röist auf dem Petersplatz den Angreifern entgegen.
Protestanten schützen den Papst
Kaspar Röist war seit 1518 Hauptmann der Schweizergarde, schon sein Vater Marx hatte das Amt innegehabt. Inzwischen hatte sich in Zürich, der Heimatstadt von Röist, die Reformation durchgesetzt. Aber trotz der Glaubensdifferenzen wurden die Gardisten nicht abgerufen. Noch 1523 versicherte der Rat der Stadt dem Papst: «Wir… werden nie von Eurer Heiligkeit und dem Heiligen Stuhl abfallen.» Erst 1526 konnte sich der unduldsame Reformator Zwingli in Zürich durchsetzen, die Söldner sollten in die Schweiz zurückkehren. Doch nun weigerte sich der Kommandant. Er und seine Männer als «wahre Kriegsleute und Diener» seien nicht in der Lage, den Papst und das Kardinalskollegium jetzt «in ihren großen Nöten» im Stich zu lassen. So kam es, dass die Gardisten, die der Reformation nahestanden, die letzten Verteidiger des Papstes Klemens VII. waren, die ihn vor den katholischen Söldnern schützten.
Auf dem Petersplatz hielt die Garde stand, bis alle Schweizer gefallen waren. Die letzten Gardisten starben unter dem Hochaltar von Sankt Peter. Als sie fielen, war auch das Schicksal der Zivilisten besiegelt, die in die Kirche geflüchtet waren. Alle Römer wurden von den rasenden Spaniern niedergemetzelt. Kaspar Röist wurde schwer verletzt in seine Wohnung geschleppt. Die Söldner folgten dem Kommandanten und hackten ihn auf dem Bett in Stücke. Seine Frau Elisabeth Klingler warf sich schützend über den Sterbenden und verlor dabei mehrere Finger.
Das Opfer rettete den Papst
In der Zwischenzeit eskortierten die restlichen 42 Gardisten unter der Führung Herkules Göldli den Papst durch einen Geheimgang in die Engelsburg. Das ehemalige Mausoleum des römischen Kaisers Hadrian war zu einer Festung ausgebaut, dort trotzten die Gardisten einer mehrwöchigen Belagerung. Solange, bis der Papst in einen harten Friedensvertrag einwilligte.
Auf diese Weise wurde der Papst gerettet, während seine Stadt im sogenannten Sacco di Roma acht Tage geplündert und gebrandschatzt wurde. 12.000 Einwohner sollen ermordet worden sein. Bis heute werden alle neuen Gardisten am 06. Mai, dem Tag des Sacco di Roma, vereidigt.
Der legendäre Kommandant Röist taucht in zahlreichen historischen und fantastischen Romanen auf. Auch die schwedische Power-Metal-Band Sabaton hält die Erinnerung wach. Ihr Song «The Last Stand» – der auch den Titel des Erfolgsalbums bestimmte – schildert den Kampf der Gardisten auf dem Petersplatz in pathetischen Worten.
Quelle: Hirtenstab und Hellebarde: Die Papstliche Schweizergarde in Rom 1506-2006
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