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Sparen, Stress und Schulden – unser Alltag mit Niedriglohn | Doku | exactly

Sparen, Stress und Schulden – unser Alltag mit Niedriglohn | Doku | exactly

*** 3,6 Millionen,
das ist die Zahl der Menschen, die in Deutschland Vollzeit
zum Niedriglohn arbeiten. Kein Mindestlohn, aber kurz drüber,
und ja, ich bin Multi-Jobber. Ohne Trinkgeld weiß ich nicht,
ob ich den Job machen würde. Unser Mindestlohn in Deutschland
ist ziemlich hoch. Im Vergleich
ist er der zweithöchste in Europa. Unser Niedriglohn-Bereich
ist aber weit verbreitet. Vor allem in Ostdeutschland. Jeder Vierte
arbeitet hier zum Niedriglohn. Wie kommen Leute klar, die im Monat
1.500-1.600 Euro netto verdienen? Dass ich weiß, was ich ausgebe,
wieviel ich im Monat übrighabe. Das schreibe ich hier unten hin.
Im Urlaub war ich noch gar nicht. Welcher Lohn
ist fair und welcher bezahlbar? Hallo.
– Guten Morgen.

Bist du Max?
– Genau. Hallo, Katharina vom MDR. Max arbeitet als Kellner
in diesem Restaurant. Sein Tag beginnt
mit dem Aufbau des Frühstücksbuffets. Es ist jetzt 7 Uhr,
deine Schicht hat gerade angefangen. Bis wann muss alles fertig sein? Bis 9 Uhr. Bis 9 Uhr,
also 2 Stunden lang. Braucht es das?
– Genau, die braucht man aber auch. Der 24-Jährige
arbeitet seit gut 7 Monaten hier. Seine Ausbildung zum Friseur
hat er abgebrochen. Es sei nicht
das Richtige für ihn gewesen. In der Gastronomie
fühlt er sich wohl. Antipasti kommen nach hier. Kann ich dich fragen,
was du hier verdienst? Jetzt muss ich lügen,
13,44 Euro seit Januar. Seit Januar, das heißt, wieviel
sind das mehr als letztes Jahr? 44 Cent. Ah, okay, das heißt,
weil der Mindestlohn gestiegen ist, hast auch du
ein bisschen mehr bekommen. Wie ist das für dich,
dass dein Lohn jetzt angestiegen ist? Ein bisschen erleichternd. Denn der 24-Jährige hat Schulden. Die versucht er jetzt,
nach und nach abzubezahlen.

Dass mit der Mindestlohn-Erhöhung
sein Lohn gestiegen ist, hilft dabei. Aber reicht das?
Findest du, das ist ein faires Geld? Also, mit Trinkgeld ist es annehmbar
und voll okay. Ohne Trinkgeld weiß ich nicht,
ob ich den Job machen würde. An schlechten Tagen gibt es
etwa 10 Euro Trinkgeld, sagt er, an guten auch mal 3-stellige Summen. Davon muss er einen Anteil abgeben, der unter allen Kollegen
aufgeteilt wird. Ob die Geschäftsleitung
die Löhne hier für fair hält, erfahren wir später. Wenn du sagst, dass Trinkgeld
für dich das Wichtigste ist …

Das Wichtigste
jetzt nicht unbedingt. Aber für den Job? Aber es ist schon mit wichtig,
weil wir leben davon. Das darf man immer nicht vergessen. An dem Satz ist schon was dran,
dass es viele Berufe gibt, wo man sagt, dass die Herrschaften
vom Trinkgeld leben. Das kann man den Leuten
schon glauben, wenn man das sagt. Hier noch mal die Fakten:
Max ist 24, wohnt alleine und bekommt 13,44 Euro die Stunde
plus Trinkgeld.

Damit liegt er im Niedriglohnbereich. Der sieht so aus: 2022 lag das mittlere Einkommen
bei etwa 21 Euro pro Stunde. Die Niedriglohnschwelle
liegt bei 2 Dritteln davon. Alles zwischen diesem Wert
und der Lohnuntergrenze, dem Mindestlohn,
gilt als Niedriglohnbereich. Unter dem Mindestlohn
dürfen nur Ausnahmen liegen, wie zum Beispiel Azubis. Wird langsam knapp von der Zeit?
– Ja. Aber vor der Tür
stehen schon einige Grüppchen. Das ist noch gar nichts, ihr Lieben.
– Das ist noch gar nix? Das heißt, das stresst dich jetzt
nicht, dass die da schon stehen? Ich versuche, das auszublenden.
– Okay. Bevor hier der Betrieb startet, treffe ich jemanden, der in einer
anderen Niedriglohnbranche arbeitet. In der Logistik. Dafür reise ich
nach Lengenfeld ins Vogtland. Stefanie hat heute ihren freien Tag. Sie will mir ihr neues Auto zeigen,
das ist ihr ganzer Stolz. Heute wird es geputzt. Meist ist bloß
die Fahrerseite besetzt. Okay, dann legen wir los.
– Ja. Soll ich
auf die andere Seite rübergeben. Können wir machen. Dann geben wir das alles
über die Mitte. Stefanie ist 32 und Mitarbeiterin
in einem Schuhlager.

Ihr Stundenlohn liegt
an der Niedriglohn-Schwelle von 2022. Sie arbeitet
nur 35 Stunden pro Woche. Deshalb
bekommt sie am Ende nur so viel wie bei einem Mindestlohn-Job
mit 40 Stunden. Das Auto braucht sie vor allem für
ihren Arbeitsweg von gut 15 Minuten. Wenn die die Arbeitszeiten
halbwegs feststünden, könnte ich auch mit dem Bus fahren. Oft ist das Problem,
dass es kurzfristig wird, wenn viel Lieferung da ist. Dann heißt es, wir müssen
länger bleiben oder eher anfangen. Da ist man mit dem Auto
schon flexibler, sage ich mal. Vor allem
nimmt man es auch für den Einkauf.

Da ist noch die Wochenend-Beziehung,
wo ich dann auch hinfahren muss. Aha, okay. Stefanies Freund
wohnt 130 km entfernt in der Pfalz. Sie sehen sich zweimal im Monat. Für ihr neues Auto
hat sie mehrere Jahre gespart. Über 22.000 Euro hat es gekostet,
erzählt sie mir. Den größten Teil davon
hat sie direkt bezahlt. Für den Rest
musste sie einen Kredit aufnehmen. Wenn du sagst, du hast einige Jahre
für dieses Auto gespart. Wann warst du
zum letzten Mal im Urlaub? Nein, im Urlaub bin ich
eigentlich noch gar nicht gewesen. Hast du einen Wunsch,
wo du gern mal hinwollen würdest? London würde ich gern mal sehen, ja.
– Warum? Nur so, weil's mich interessiert.
Die ganzen Bauten, die die da haben.

Auch sonst
bin ich nicht so fürs Warme. Ich bin auch kein Sommermensch. Das heißt, Spanien oder so
muss ich nicht haben. So, und wo müssen wir hin, hier rein?
– Genau. Um gut von ihrem kleinen Gehalt
leben zu können, ist sie sparsam. Dabei hilft, dass Stefanies Eltern
in der Nähe wohnen und sie hier
regelmäßig mitessen kann. Heute sind wir beide
bei ihren Eltern eingeladen. Es gibt Kasslerpfanne und Salat. Mutter Anke ist Pflegekraft
und arbeitet im Krankenhaus. Mit ihrem Lohn
ist sie heute zufrieden. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn
sah es aber anders aus. Damals in den Zeiten,
womit habe ich da angefangen? Mit 700 Euro. Ja. Im Vergleich zur Mama
ist es nur ein Schuhlager. Es sind nur Schuhe. Aber mit den 700 Euro
wäre ich schlecht dran gewesen, die Mama am Anfang hatte. Denn wenn ich so gucke,
allein für Autokredit und Miete bin ich schon
bei knapp 550 Euro im Monat. Was dann einfach
jeden Monat schon mal weg ist? Ja, und da habe ich
noch kein Internet, Strom und … Das ist es ja.
– … Essen und Trinken.

Die Auswirkungen der Inflation spürt sie
trotz ihrer sparsamen Lebensweise. Wie würde für sie ein fairer Lohn
aussehen, um gut davon zu leben? Es wäre in Ordnung, wenn man
monatlich immer noch einen Betrag auf die Seite legen könnte,
würde ich sagen. Dann würde ich für mich sagen,
wäre es in Ordnung. Aber das konntest du vorher,
bevor du das Auto hattest, richtig? Ja. Jetzt kann ich es
bloß ab und zu mal. Ich guck immer den Kontostand durch,
wie es aussieht. Und schiebe immer mal was rüber.
Aber es ist nicht mehr jeden Monat.

Trotzdem versucht sie,
sich wieder ein Polster zu ersparen. Wie genau sie einen Überblick
über ihre Finanzen behält, zeigt sie mir später. Soviel vorweg, es ist beeindruckend. Wie sieht für euch
ein fairer Lohn aus? Was muss damit
alles bezahlt werden können? Schreibt es mir in die Kommentare. Zurück in Magdeburg bei Kellner Max. Letzter Handgriff, dann werden die Türen
für die Frühstücksgäste geöffnet.

Ab jetzt heißt es
freundlich und schnell sein, damit das Trinkgeld später hoch ist. Dann wollen wir mal
den ersten Tisch annehmen. Wie darf ich an dem schönen Morgen
eure Geschmackssinne verwöhnen, ihr Lieben? Einen großen Latte Macchiato
mit Hafermilch und Karamellsirup. Natürlich, 2 cl oder 4 cl, also halb
so süß wie Sie oder genauso süß? Halb reicht. Vielen Dank, ihr Lieben.
– Danke. Ans Buffet
dürft ihr gern schon gehen. Getränke bringe ich euch gleich.
– Danke schön. So. Ich bin tiefenentspannt. Würde die Technik noch mitmachen,
wäre es noch schöner. Jetzt beginnt
auch die Schicht von Paul.

Er ist Student
und arbeitet hier in Teilzeit. Du fängst grade deine Schicht an?
– Ja. Was ist deine Aufgabe,
denn du machst was anderes als Max. Ja, ich bin Libero, das heißt,
Essen liefern, Getränke liefern, Tische aufräumen und Ordnung halten. Paul ist 31. Als studentische Aushilfe
bekommt er Mindestlohn. Und einen Anteil
vom gemeinschaftlichen Trinkgeld. Das sind zusätzlich
gut 1,50 Euro pro Stunde, sagt er. Im letzten Jahr ist er
mit seinem Geld gut zurechtgekommen. Auch, weil seine Mutter
ihn bei den Mietkosten unterstützt. Wenn es in diesem Jahr
ein bisschen mehr Geld für dich gibt? Es gibt ja seit einer Woche
41 Cent mehr pro Stunde. Was bringt dir das? Dadurch, dass ich nur
Rentenversicherungsbeiträge bezahle, sind das 30 Euro im Monat mehr. Das ist für mich eine halbe …

Also, damit
kann ich eine halbe Woche leben. Mit dem, was du mehr hast jetzt? Genau, das ist so
schon mal nicht schlecht. Aber die Grenze nach oben
ist immer offen. Für ihn ist der Job nur ein Übergang
bis zum Ende seines Studiums. Paul studiert Wasserwirtschaft. Mit seinem Abschluss möchte er später
im Labor eines Klärwerks arbeiten. Dann könnte sein Stundenlohn
bei etwa 21 Euro liegen. Max macht jetzt
die erste Abrechnung des Tages. Zahlt sich seine Freundlichkeit aus? So, ihr Lieben. Ich bin mal kurz so frech
und packe das hierhin. War doch mit Karte?
– Ja. Trinkgeld ist Ihnen lieber in bar?
– So, wie es Ihnen beliebt. Dann gibt es noch eine
hübsch gemachte Rechnung von mir. So, ihr Lieben, dann danke ich euch vielmals
für euren Besuch bei uns im "Alex". Ich wünsche euch
noch eine schöne Woche.

Bleibt bitte gesund.
Bis zum nächsten Mal tschüs. Wieviel Trinkgeld gab es?
– 4 Euro. 4 Euro, war das gut? Ja, das ist auf jeden Fall
ein Gutes. Ich bin immer sehr zufrieden,
wenn meine Gäste sagen, 3-5 Euro. Manchmal habe ich Gäste, die kommen
aber meist selber aus der Gastro, wo ich auch mal
bei 10-20 Euro pro Tisch bin.

4 Euro in bar und zack, fertig. Okay, jetzt hast du
mit 4 Euro für den Tag angefangen. Was meinst du,
mit was kommen wir heute raus? Wenn ich meinen Bereich so angucke,
die Zufriedenheit der Gästen gerade, dann tendiere ich zu 50 Euro,
die ich heute so insgesamt mache. Ob er damit recht behält,
sehen wir am Ende der Schicht. Einen Tisch weiter ist Paul am Werk. Seine Arbeit gibt ihm Struktur,
sagt er mir. Nicht zu arbeiten,
wäre für ihn keine Option. Ich war schon mal
ein halbes Jahr lang arbeitslos. Da war mir
tatsächlich so langweilig, dass ich auch einen Job
für 5 Euro die Stunde genommen habe. Denn ich wollte einfach arbeiten. Und so lange zu Hause rumzusitzen,
war nicht meins. Lohnt sich Arbeit noch, oder
wäre man mit Bürgergeld besser dran? Diese Frage habe ich mir
vor einem Jahr schon mal gestellt.

Als im Januar 2023
das Bürgergeld eingeführt wurde. Damals habe ich
unter anderem Sandra begleitet, die für etwas mehr als Mindestlohn
in einem Käsewagen arbeitet. Ja, also es lohnt sich trotzdem. Klar, finanziell
könnte es besser aussehen. Aber es geht beim Arbeiten für mich
ja nicht nur ums Geldverdienen. Außerdem habe ich
Familie Gellert besucht, die seit Jahren
vom Arbeitslosengeld II lebt. Sohn Jens war damals auf Jobsuche. Aber jetzt gerade bist du arbeitslos?
– Genau, und krankgeschrieben.

Mein Fazit im letzten Jahr:
Arbeit lohnt sich. Wer trotz Arbeit wenig verdient, kann staatliche Hilfen beantragen,
wie Wohngeld und Kinderzuschlag. So hat man immer mehr
als mit Bürgergeld. Ihr habt unter dem Video
viel diskutiert. Oft habe ich gelesen,
dass nicht das Bürgergeld, sondern die niedrigen Löhne
das Problem seien. Deswegen schaue ich mir hier
den Niedriglohnbereich näher an. Darüber will ich auch
mit den Magdeburgern sprechen. Max treffe ich später wieder. Ich komme ins Gespräch mit Menschen
aus verschiedenen Branchen. Zum Beispiel aus dem Sport,
der Gastronomie, dem Verlagswesen und dem Handel. Die meisten von ihnen
sind mit dem eigenen Lohn zufrieden. Den aktuellen Mindestlohn
sehen sie kritisch. Anfang 2024 wurde der Mindestlohn
auf 12,41 Euro erhöht. Finden Sie das fair?
– Ja, finde ich fair. Ich arbeite im Verlagswesen. Zusteller, die die Zeitung
jeden Morgen zustellen. Das ist vollkommen gerechtfertigt. Ran an 13 Euro
sollte es schon langsam gehen. Von Kollegen höre ich, dass sie
damit nicht über die Runden kommen. Da könnte das
natürlich auch mehr sein. Das Bürgergeld
ist ja schon erhöht worden.

Wenn man also nicht arbeitet,
kriegt man so einen Haufen. Geht man arbeiten,
kriegt man weniger. Hierzu noch mal die Fakten. Das Bürgergeld ist Anfang des Jahres
um circa 12% gestiegen. Von 502 auf 563 Euro. Der Mindestlohn
ist um 3,4% gestiegen. Ein Abstand zwischen Lohn
und Bürgergeld besteht aber immer noch. Zum Beispiel hat ein Single, der
Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, einen Lohnabstand von 532 Euro
zu einem Single mit Bürgergeld und einer fiktiven Miete
von 403 Euro. Meine Recherche geht in Chemnitz
weiter, und zwar ziemlich früh. In dieser städtischen Kita beginnt
gleich der Arbeitstag in der Küche.

Hallo.
– Hallo, guten Morgen. Katharina vom MDR.
– Yvonne. Es ist 5:30 Uhr. Was machen wir als Erstes? Wir machen jetzt Kaffee. Dann fangen wir an,
die Brötchen aufzubacken. Dann richten wir die Wagen fertig, die nachher alle hochgehen
in die Kita-Räume. Okay. Yvonne ist 47 und arbeitet seit Anfang des Jahres
hier als Küchenleitung. Sie verdient etwas mehr
als Mindestlohn. Zusätzlich jobbt sie als Aushilfe
in einem Restaurant. Warum machst du beide Jobs? Weil ich gering verdiene.
Ich arbeite ja im unteren Bereich. Kurz über dem Mindestlohn.
Kein Mindestlohn, aber kurz darüber. Und ja, ich bin Multi-Jobber. Yvonne arbeitet seit über 30 Jahren
in der Gastronomie. Eigentlich
ist sie gelernte Arzthelferin und examinierte Pflegerin. Früher hat sie sogar
ein Restaurant geleitet. Ich habe als Betriebsleitung
auch sehr gut verdient. Aber du bist dann auch
24/7 im Einsatz. Man macht irgendwann Abstriche
und sagt, was einem wichtiger ist. Vielleicht etwas Freizeit,
oder immer Stress und das Geld. Durch den Job in der Kita-Küche hat sie früher Feierabend
und die Wochenenden frei. Dazu kommt
die Wertschätzung der Kinder. Ich sehe hier auch schon die ganzen
kleinen Zettelchen mit "Danke schön" und was die Kinder gesagt haben:
"Der Joghurt schmeckt sehr lecker" oder
"Danke für das schöne Frühstück".

Ja, dafür macht man das ja.
Man macht das für die Kinder. Ich finde es ist wichtig, dass sie
einen guten Start in den Tag haben und ordentlich was essen. Es ist einfach schön, wenn du Kinder
glücklich machen kannst. Pünktlich 7:15 Uhr gehen dann die 6 Essenswagen
hoch in die einzelnen Gruppen. So, Wagen rein, Klappe zu. Fahren wir ihn hoch und klingeln. Ah, okay. Das sind die Gruppen,
und dann weiß die Gruppe, dass sie jetzt
aus dem Aufzug was rausholen darf. Hört ihr?
– Ja. Die Kinder. In der Zwischenzeit
wurde das Mittagessen angeliefert. Heute gibt es
Spinat, Eier und Kartoffeln. Die Portionsgröße pro Kind muss die Catering-Firma
haargenau abmessen. Hier wird bis aufs Gramm kalkuliert. Rührei zum Beispiel sind 0,07 kg,
das sind 70 g pro Kind. So genau, wie geplant wird, wird auch
der Preis pro Essen berechnet. Anfang des Jahres wurde der erhöht. Wegen der Inflation und der
angepassten Mehrwertsteuer von 19%.

Ist da auch mehr Geld
für höhere Löhne drin? Das will ich
vom Geschäftsführer der Catering-Firma, Das will ich
von Torsten Weiße-Köhler wissen, dem Geschäftsführer
der Catering-Firma. Er hat 60 Angestellte und beliefert
vor allem Kitas und Schulen. Könnte er mehr bezahlen? Wir gehen
vom Kita- und Schulbereich aus. Von der Gemeinschaftsverpflegung. Dann ist die Antwort nein. Wir sind jetzt schon
relativ weit oben, sage ich mal,
bei 5,45 Euro pro Schulessen. Wenn man das mal
mit 2 Kindern rechnet im Kita-Bereich
mit Frühstück und Vesper. Dann bist du schon bei 320 Euro
im Monat für die Eltern. Das muss man
erst mal erwirtschaften. Wir können die Preise
nicht endlos hochtreiben.

Das ist nicht machbar. Größere finanzielle Wertschätzung
für seine Angestellten würde er gern auszahlen,
könne er deshalb aber nicht, sagt er. Ich kann das verstehen,
dass da nicht mehr übrigbleibt. Aber ich finde,
es ist trotzdem wenig. Ja, es könnte mehr sein. Aber dann
müsste ein Umdenken stattfinden. Auf welcher Seite? Vielleicht auf der Seite
vom Landkreis, von der Stadt. Dass das Kindergarten- und
Schulessen von da übernommen wird. Damit da mehr Spielraum
auch für die Angestellten ist. Ich denke, sonst wird irgendwann
der Berufszweig komplett aussterben. Sie sieht die Verantwortung
für einen höheren Lohn also beim Träger des Kindergartens,
der Stadt, nicht beim Arbeitgeber. Auch Max, der einen Euro
über Mindestlohn verdient, fände einen höheren Lohn angemessen. Ich spreche mit Bernd Riegger dem Geschäftsführer der Firma,
zu der die Restaurantkette gehört. Das Unternehmen
macht Millionengewinne. Bernd Riegger sagt mir,
dass er gut 2.500 Mitarbeitende hat. Die Löhne in seinem Unternehmen
findet er fair. Man muss sehen, in der Gastronomie
ist die Situation die, dass die Mitarbeiter
auch sehr viel Trinkgeld bekommen.

Trinkgeld ist ja steuerfrei. Wenn Sie das mal ausrechnen,
über den Monat gesehen. Dann sind die Löhne sehr gut,
die wir bezahlen. Ob das der Mindestlohn ist,
der heute bei 12,41 Euro liegt, oder bei einem,
der länger dabei, Schichtleiter ist, der vielleicht 13-14 Euro
pro Stunde verdient. Das sind schon
sehr, sehr gute Löhne. Wir haben eine Hand voll Betriebe,
wo es Kellner gibt, die würden sogar umsonst arbeiten,
weil sie so viel Trinkgeld kriegen. Sie sagen: Die 12, 13 oder 14 Euro,
die brauche ich gar nicht. Das ist so.
Das wissen wir auch. Darf ich fragen, wo die sind? Ah, bitte, nein.
Dazu möchte ich jetzt nichts sagen. Das wäre ein bisschen unfair. Glauben Sie,
Sie könnten vom Mindestlohn leben? Das kommt natürlich drauf an. Wenn ich Kellner im "Alex" wäre, dann könnte ich
mit dem Mindestlohn leben. Weil wüsste ich,
dass ich Trinkgelder bekomme. Dann ist ja der Mindestlohn
nicht mehr 12,41 Euro brutto. Natürlich kann man davon leben. Ich glaube,
wenn man nur Mindestlohn bekommt und kein Trinkgeld,
dann ist es natürlich schwierig. Vor allem, wenn man sogar noch
eine Familie zu ernähren hat, dann geht das nicht mehr,
dann muss eben Unterstützung her.

Gemeint ist Unterstützung,
wie Wohngeld und Kinderzuschlag. Er sieht in diesem Fall
den Staat in der Pflicht. Ich mache mich jetzt
auf den Weg nach Düsseldorf. Und fahre zur Hans-Böckler-Stiftung.
Da gibt es nämlich einen Experten. Der hat sich mit der Frage
von Lohngerechtigkeit in Deutschland auseinandergesetzt. Dr. Malte Lübker
ist Sozialwissenschaftler und analysiert Löhne
für die gewerkschaftsnahe Stiftung. Wir sind
in einer Einkaufsstraße unterwegs. Um uns herum
klassische Niedriglohn-Branchen. Bäckereien, Drogerien, Einzelhandel. Malte Lübker
hat sich beschäftigt mit Gleichberechtigungsfragen
beim Lohn.

Es gibt eine grobe Richtschnur,
was als angemessen gilt. Das sind 60% des Median-Lohns,
also des mittleren Lohns. Den der Mensch in der Mitte
der Einkommensverteilung bekommt. Was wir da sehen, ist, dass der
aktuelle Mindestlohn von 12,41 Euro unter diesen 60% des Medians liegt. Deswegen denken viele Menschen,
mich eingeschlossen, dass das kein ausreichender,
gerechter Lohn ist. Gerade im Osten ist der Mindestlohn
immer noch sehr weit verbreitet. Warum? Wir sehen immer noch ein Lohngefälle
zwischen Ost- und Westdeutschland. Es liegt an Rahmenbedingungen,
Betriebsgrößen und so weiter. Es liegt aber auch daran,
dass in Ostdeutschland die Tarifbindung geringer ist,
weniger Menschen Tariflohn bekommen.

Denn weniger Unternehmen
sind im Arbeitgeber-Verband und an Tarifverträge gebunden. Wir sehen dort besonders deutlich, dass Menschen,
die nicht nach Tarif bezahlt werden, weniger bekommen
als Tarifbeschäftigte. Höhere Löhne verlangen ist eines.
Sie müssen aber auch bezahlt werden. Es gibt immer wieder
das Argument von Arbeitgebern: Wenn der Mindestlohn zu hoch ist,
können wir das nicht bezahlen. Das war eine ganz große Debatte
bei der Einführung des Mindestlohns. Prognosen waren, dass
bis zu 2 Millionen Jobs wegfallen und massenhaft
Firmensterben eintritt. Wenn
der höhere Mindestlohn dann kommt, passiert meist erstmal gar nichts. Sondern die Betriebe
können sich darauf einstellen, sich entsprechend anpassen. Teilweise gibt es
tatsächlich den Effekt, dass die Preise steigen. Das ist eine Angst, von der ich
bei meiner Recherche oft gehört habe. Ob höhere Löhne
einfach nur höhere Preise bedeuten, berechnete die Deutsche Bundesbank vor
der Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro. Für 2023 ging sie von
einer Preissteigerung um 0,06% aus. Für 2024 um 0,14%. Auf Anfrage erfahre ich,
dass diese Prognose auch unter den aktuellen Bedingungen
bestehen bleibt. Das ist nicht der große Effekt,
der zur Inflation beigetragen hat.

Sondern,
das ist im minimalen Bereich der Beitrag des Mindestlohns
zur Inflation. Die Lohn-Preis-Spirale
ist also ein Mythos. Zurück in Lengenfeld zeigt Stefanie
mir ihre Dachgeschoss-Wohnung. Auf gut 43 Quadratmetern
wohnt die 32-Jährige hier allein. Das ist deine Wohnung.
Hier ist die Küche. Genau. Die ist ja wirklich ganz klein.
– Ja. Also, mit zwei Mann
ist die Küche voll in der Regel. Da hinten ist dein Wohnzimmer? Darf ich mal gucken?
– Ja. In ihrer Freizeit
spielt Stefanie gern Videospiele. Mittlerweile
besitzt sie dafür drei Konsolen. Zwei davon sind aktuelle Modelle. Das kannst du dir trotzdem leisten,
so ein teures Hobby? Man guckt schon,
gerade bei Videospielen, in den Läden,
die An- und Verkauf machen.

Da kriegt man sie billiger als neue. Da spart man dann schon mal.
Neu kosten sie 60 Euro. Da spart man mitunter
schon wenigstens 30 Euro. Sparen ist Stefanies Credo. Jetzt zeigt sie mir,
wie sie das macht. Unter meinem Tisch … Genau. Also,
richtig in Papierform ist das alles. Genau, genau. Krass, okay.
Darf ich mal reingucken? Das wäre dann dieses. Dann schreibst du dir
für den Monat wirklich auf, was du alles bezahlt hast,
Miete, Rechtsschutz, Imbiss. Ja, wenn ich mir irgendwo
mal was zum Essen hole. Jede einzelne Ausgabe?
– Ja. Hier auch,
99 Cent steht auch drin. Das ist wahnsinnig akribisch, dass du
jede einzelne Ausgabe aufschreibst, um auf dein Geld aufzupassen. Hast du das
von deinen Eltern mitgenommen? Oder kamst du da selber drauf,
als du vor 3 Jahren ausgezogen bist? Das habe ich selber angefangen. Dass ich so im Blick habe, was ich ausgebe,
wieviel ich übrighabe im Monat. Das schreibe ich
meist hier unten hin, was ich übrighabe,
oder was ich zuviel ausgegeben habe. Wenn es jetzt
mit der Mindestlohn-Erhöhung auch für dich
ein bisschen mehr Geld gibt.

Was wäre das, wo du sagst, da würde ich dann
ein bisschen mehr ausgeben? Das könnte ich
jetzt gar nicht so sagen. Ich würde eher gucken, dass ich
wieder mehr auf die Seite lege. Also, lieber erstmal sparen?
– Ja, genau. Weil Stefanie mit ihren Finanzen
so genau ist und bescheiden lebt, kommt sie
auch mit wenig Geld gut zurecht. In Magdeburg beginnt
die letzte Stunde von Max' Schicht. Bevor er gehen kann, muss er die Getränke
für die Spätschicht auffüllen. Du warst heute früh super euphorisch,
was das Trinkgeld angeht. Was meinst du,
wie es für dich heute ausgeht? Mittlerweile schätze ich 30 Euro,
mit denen ich nach Hause gehe.

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7,
8, 9, 10, 11, 12, 13, 14. Die hast du nicht mitgezählt. So, dann haben wir das jetzt. Ob er mit 30 Euro richtig liegt,
erfahren wir gleich. Jetzt ist alles vorbereitet
für die nächste Schicht. Max kann seine Kellnerbörse
im Büro abrechnen lassen. Mache ich.
Jannik, du darfst. Wie ist es gelaufen? Wir haben
insgesamt 53,90 Euro gemacht. Mit nach Hause genommen habe ich
dementsprechend jetzt 40,90 Euro. Davon habe ich jetzt
auch schon mein Mittagessen bezahlt. Denn vorhin in der Mittagspause
bin ich heute extravaganter gewesen. Ich habe mir statt des Buffets unsere Piccata Milanese genommen
mit Mozzarella drin. Aha, okay.
– War was ganz Feines. Nach Feierabend
geht Max gern bummeln. Heute wird aber nur geguckt,
nicht geshoppt.

Denn sein Budget ist eingeschränkt. Guckst du immer am Ende des Monats,
wieviel Geld du ausgegeben hast? Hast du so ein Budget,
etwa für Kleidung? Nein, sowas habe ich nicht. Weil es bisher bei mir
immer nicht so geklappt hat. Denn ich bin so ein kleiner
Großkonsument, was Shopping angeht. Kannst du auch was wegsparen
am Ende vom Monat? Dadurch, dass ich noch andere
finanzielle Problemchen habe, leider nicht. Hätte ich die aber nicht,
dann glaube ich schon. Dann könnte ich bestimmt im Monat
meine 100-200 Euro zur Seite legen. Es gibt so ein paar Jugendsünden,
die knabbern noch etwas an mir. Mit "Jugendsünden"
meint er seine Schulden. Die genaue Summe
möchte er mir nicht sagen. Momentan arbeitet er daran,
sie abzubezahlen. Max hat auch schon
Pläne für die Zukunft. Auch die sind nicht günstig. Da gibt es eine Sache, die habe ich
seit ein paar Jahren schon im Auge. Das ist in Berlin
die Barkeeper-Akademie. Da würde ich gern ein international anerkanntes
Zertifikat als Barkeeper machen.

Da ist das Problem aber,
das kostet halt so 2.500-3.000 Euro. Wow.
– Das ist schon ordentlich. Aber dafür könnte ich
weltweit als Barkeeper arbeiten. Um sich das zu finanzieren, möchte er neben dem Kellnern noch
einen passenden Nebenjob finden. Die Menschen, die ich
für diesen Film getroffen habe, haben sich
mit dem Niedriglohn arrangiert. Vor allem Stefanies
akribische Finanzübersicht hat mich beeindruckt. Alle machen ihren Job gern, obwohl sie sich einschränken müssen
und kaum sparen können. Wenn euch der Film gefallen hat, dann lasst einen Like
oder ein Abo da. Interessiert euch das Bürgergeld,
schaut hier vorbei.

Da habe ich mir das
letztes Jahr angeschaut. Hier gibt es zwei spannende Filme
von Frontal und ZDFinfo zum Thema Fachkräftemangel. Copyright MDR 2024
UT: Büschel.

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