Themenspezial: Verbraucher & Service Probleme

Lebara: Kunden nach Netzwechsel abgeschnitten

Ein SIM-Karten-Anbieter will seine Bestands­kunden komplett von einem ins andere Netz umziehen. Das bedeutet: Tausch aller SIM-Karten - bei allen Kunden. Kann das klappen?
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Wir haben mehr­fach über die Migra­tion der Lebara Kunden aus dem Netz der Telekom in das Netz der Telefónica-Deutsch­land (o2) berichtet. Dieses umfang­reiche Unter­fangen sollte nach Auskunft des Ethno-Anbie­ters Lebara auf seiner Home­page bis zum 30. Juni 2022 abge­schlossen sein.

Termin nicht haltbar?

Mitte Mai hat der Anbieter Lebara den Wechsel von der Telekom zu o2 gestartet - mit Hindernissen. Mitte Mai hat der Anbieter Lebara den Wechsel von der Telekom zu o2 gestartet - mit Hindernissen.
Grafik: Lebara
Gut infor­mierte Bran­chen­kreise wussten nun zu berichten, dass der Termin nicht gehalten werden konnte. So soll eine nicht nähere genannte Zahl von SIM-Karten nach wie vor im Netz der Telekom aktiv sein. Die Telekom werde diese Karten so lange weiter­laufen lassen (und die verein­barten Kosten Lebara in Rech­nung stellen), bis die Portie­rung der letzten SIM-Karte ange­stoßen wurde, war aus Bran­chen­kreisen zu erfahren.

Lebara antwor­tete dazu auf Nach­frage, "der Groß­teil unserer Kunden ist zum heutigen Zeit­punkt bereits migriert. Die Migra­tion wird kurz­fristig abge­schlossen sein."

800.000 Kunden?

Verschie­dene Quellen berichten, dass Lebara etwa 800.000 SIM-Karten im Telekom-Netz geschaltet hatte, die es zu migrieren galt. Offenbar erlaubt die Portie­rungs­schnitt­stelle der Telekom die Portie­rung von bis zu 25.000 SIM-Karten pro Arbeitstag, wonach die Portie­rung im Ideal­fall (rech­nerisch) binnen 32 Arbeits-Tagen abge­schlossen gewesen wäre.

Lebara wollte diese Zahlen nicht bestä­tigen, teilte aber mit, man habe "in der Tat einen großen Kunden­stamm, den es zu migrieren galt. Wir haben die bewusste Entschei­dung getroffen, nur aktive Kunden mit einer korrekten Adresse zu migrieren. Dazu haben wir im Vorfeld alle Kunden ange­schrieben und um eine Adress­aktua­lisie­rung gebeten. Die Zahl der Kunden, die sich aufgrund unvoll­stän­diger, veral­teter oder fehler­hafter Daten nicht migrieren ließ, ist über­schaubar und entsprach unserer Planung".

Bestands­kunden sind mögli­cher­weise nicht (mehr) erreichbar

Auf ein großes Problem haben wir schon mehr­fach hinge­wiesen: Die Adress­daten vieler Kunden sind unvoll­ständig oder völlig fehler­haft, und somit kann Lebara diesen Kunden keine neue SIM-Karte zuschi­cken.

Das wird aus Düssel­dorf bestä­tigt: "Damit den Kunden ihre neue SIM-Karte posta­lisch zuge­stellt werden kann, ist das Vorliegen der aktu­ellen Post­adresse wichtig. Um dies zu gewähr­leisten, hat Lebara im Vorfeld alle Kunden auf verschie­denen Wegen kontak­tiert und für den Fall einer Adress­ände­rung um Aktua­lisie­rung gebeten. Dennoch sind Post­rück­läufer in Ange­sicht des Volu­mens der auszu­tau­schenden SIM-Karten unver­meidbar. Auch hier hat Lebara aber eine Möglich­keit einge­richtet, um betrof­fenen Kunden schnellst­mög­lich zu helfen: https://www.lebara.de/de/neue_sim_karte.html."

Selbst wenn Lebara versucht haben sollte, diese Kunden per Sprach­anruf oder per SMS zu errei­chen, um die neuen Adress­daten zu erfragen: "Verstehen" die Kunden das Problem und können sie sicher sein, dass diese SMS-Nach­richten oder Anrufe keinen betrü­geri­schen Ursprung haben? Versteht die Ethno-Ziel­gruppe über­haupt, dass sie aktiv reagieren muss, um nicht abge­schnitten zu werden? Gelingt es ihnen, Lebara zu errei­chen?

Glaub­wür­dige Quellen speku­lieren daher, dass Lebara im Zuge der Umstel­lung gut und gerne etwa 300.000 Kunden „abhanden“ gekommen sein könnten.

Rest­gut­haben verwendbar?

Etwa­iges Rest­gut­haben auf unserer Test­karte konnte nicht zur Neubu­chung eines Tarif­paketes benutzt werden, da das System (über die Webseite oder die App) immer per PayPal, Klarna oder Kredit­karte neues Geld anfor­derte, das gleiche Problem wurde auch von verschie­denen Nutzern beob­achtet. Lebara demen­tiert: "Ein etwa­iges Rest­gut­haben kann zur Neubu­chung eines Tarif­paketes per SMS und IVR (Kurz­wahl 5588) benutzt werden."

Grau­markt für "bereits regis­trierte" SIM-Karten?

Andere Quellen berichten, dass viele Ethno-Karten gerne auf die Adresse des Karten verkau­fenden Ethno-Shops regis­triert wurden und sich nun dort stapeln oder bereits "grau" weiter verkauft wurden ("diese Karte müssen Sie nicht mehr regis­trieren").

Gerade Mitmen­schen aus nicht-EU-Staaten, die mit teil­weise hier­zulande kaum lesbaren Papieren (z.B. in arabi­scher, thai­län­discher, kyril­lischer, persi­scher oder anderer Schrift) ausge­stellt sind oder die von den Karten-Frei­schal­tesys­temen oder den Hotline-Agenten nicht erkannt werden können, sehen hier ihre Chance, an eine funk­tio­nie­rende SIM-Karte zu gelangen.

Es ist wohl nicht auszu­schließen, dass sich manche Menschen mit "dunklen Absichten" bevor­zugt solche auf "Unbe­kannt" regis­trierte SIM-Karten besorgen, um ihren "Geschäften" scheinbar unge­stört nach­gehen zu können.

Lebara warnt vor dem Kauf solcher Karten ausdrück­lich: "Die Regis­trie­rung von Karten mit falschen Adress­daten ist illegal. Unsere Vertriebs­partner sind vertrag­lich dazu verpflichtet, eine korrekte Iden­tifi­zie­rung und Regis­trie­rung der Endkunden gemäß den gesetz­lichen Anfor­derungen jeder­zeit sicher­zustellen. Bei Hinweisen auf Verstöße gehen wir diesen nach. Wir raten unseren Kunden daher strikt davon ab, Karten auf dem 'Grau­markt' zu erwerben."

Kunden abge­schnitten

Uns wurde von zahl­rei­chen Lebara-Kunden berichtet, die teil­weise per SMS über die Umschal­tung infor­miert wurden, aber (warum auch immer) keine neue Karte erhalten haben. Sie sind somit seit dem Umschalt-Termin von ihren bishe­rigen Telefon-Kontakten „abge­schnitten“. Viele Betrof­fene haben sich mehr oder weniger verär­gert eine neue Karte (mit neuer Rufnummer) besorgt, meist bei einem anderen Anbieter.

Lebara verweist auf eine spezi­elle Home­page­seite, um betrof­fenen Kunden schnellst­mög­lich zu helfen: https://www.lebara.de/de/neue_sim_karte.html.

Hotline kaum erreichbar

Wer versucht - wie empfohlen -, mit Lebara Kontakt aufzu­nehmen, braucht unend­liche Geduld, falls ein Durch­kommen über­haupt möglich ist. Die Hotline (Kurz­wahl 1212 für 15 Cent pro Anruf oder Kurz­wahl 5588 Menü 0) ist tele­fonisch gar nicht oder nur nach sehr langen Warte­zeiten von 1-2 Stunden oder viel­leicht im Chat (eben­falls ca. 1-2 Stunden) zu errei­chen. Kunden, die sich schrift­lich an Lebara gewandt haben, und um Auszah­lung ihres Rest­gut­habens gebeten haben, seien bislang "igno­riert" worden. Auch Anfragen auf eine Rufnum­mern­por­tie­rung seien bislang nicht möglich gewesen oder wurden (noch) nicht beant­wortet.

Das Problem ist Lebara durchaus bewusst: "Wir haben im Vorgriff auf unsere Netzum­stel­lung unsere Hotline-Kapa­zitäten mehr als verdop­pelt. Aller­dings hat leider auch Lebara mit einer hohen Anzahl an Corona-Ausfällen zu kämpfen, die auch das Service-Team betreffen. Lebara ist aber bereits dabei, den Service-Bereich noch­mals weiter auszu­bauen, um eine gute Hotline-Erreich­bar­keit sicher­zustellen."

Nicht aufge­laden - Nummer aus

Zu beachten ist, dass SIM-Karten, die entweder kein Guthaben oder keinen aktiv gebuchten Tarif mehr haben, bereits ca. 2-3 Wochen nach dem Ablauf­datum des Gutha­bens "abge­schaltet" werden. Anrufe hören dann unter Umständen eine fran­zösi­sche Ansage: "Le numero composé, n’est pas attribué“. (Deut­sche Über­set­zung: "Die gewählte Rufnummer ist nicht vergeben".) Bei Anrufen aus einem Mobil­funk­netz kann nach 2-3 Ansagen die deut­sche Über­set­zung des Textes durch den eigenen Anbieter erfolgen, aus dem Fest­netz gibt nach drei Ansagen ein Besetzt­zei­chen.

Vermitt­lungs­rechner in Frank­reich?

Die fran­zösi­sche Ansage bestä­tigt, was Bran­chen­beob­achter berichten: Das Vermitt­lungs­rechen­zen­trum von Lebara könnte sich in oder bei Paris (Frank­reich) befinden. Auch die Internet-Verbin­dungen werden derzeit über dortige Server geroutet. Rufnum­mern von für Frank­reich gedachten SIM-Karten von Lebara sind aus Deutsch­land nicht in allen Fällen zuver­lässig erreichbar, teil­weise wird trotz korrekter Anwahl aus Deutsch­land eine "unvoll­stän­dige" Rufnummer bemän­gelt, wie Betrof­fene berichten.

Neue Karten mit den neuen Vorwahlen 015510 oder 015511 seien zeit­weise auch nicht erreichbar gewesen oder es wurde "Nummer nicht vergeben/bekannt" ange­sagt. Das kann im zweiten oder dritten Wahl-Anlauf schon wieder anders sein.

Auch die Lebara App meldet immer wieder zeit­weise einen Fehler und kann dann kurz­zeitig nicht verbinden.

Ob die Server in Frank­reich stehen, ließ Lebara in seinem State­ment offen: "Die Migra­tion zu einem neuen Netz­werk ist eine komplexe und sehr anspruchs­volle Aufgabe. In den ersten Tagen der Migra­tion kam es in einzelnen Fällen zu Routing-Problemen bei Lebara-Rufnum­mern. Der Fehler ist mitt­ler­weile behoben, und auch Lebara-Rufnum­mern können wieder einwand­frei erreicht werden."

Rufum­lei­tung zur Mailbox manuell wieder herstellen

Wer die Rufum­lei­tung zur Lebara-Mailbox bewusst oder verse­hent­lich gelöscht hat, sollte wissen, dass eine Rufum­lei­tung zur Kurz­wahl 3311 nicht möglich ist und einen Fehler zurück­gibt. Die Umlei­tung muss immer (egal wie die eigene Rufnummer lautet) zur +49 15510 000 103 (ohne Zwischen­räume) gelegt werden.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Bei Lebara war man sich wohl bewusst, dass diese große Kunden­zahl (die uns offi­ziell nicht bestä­tigt wurde) auf keinen Fall "unfall­frei" zu migrieren sein würde. Vermut­lich hat man auch in Kauf genommen, dass eine gewisse Anzahl an Kunden "verloren" gehen könnte. Ob es am Ende "schwie­riger als gedacht" wurde, wissen wir nicht.

Für Kunden, die ein mobiles Telefon als wich­tiges Acces­soire empfinden, aber sich mit dem Thema im Detail nicht näher beschäf­tigen möchten, könnte die viel­leicht schon bei vielen Freunden und Bekannten einge­prägte oder abge­spei­cherte Rufnummer nebst dem Rest­gut­haben der Karte verloren gehen, wenn man sich als Kunde nicht intensiv um seinen Anschluss und die damit verbun­denen Themen kümmert, damit keine Verbin­dung verloren geht.

Kunden, die für solche mutwil­ligen Aben­teuer keine Nerven haben, suchen sich einen anderen Anbieter, die Auswahl ist groß.

Falls Anrufe mit Ziel fernes Ausland nicht so wichtig sind, dafür aber maximal viel Daten­volumen, hat freenet (mobilcom-debitel) etwas im Angebot.

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