In einigen Branchen könnte man das Gefühl kriegen, dass die Zielgruppe ab 49 Jahren nicht mehr relevant ist. Doch gerade diese Gruppe bietet so viel Potenzial. Gerade das Thema Selbstbestimmung ist in vielen Punkten ein wichtiges Thema. Je älter eine Person wird, desto eher gibt es Einschränkungen, die einem vermeintlich einen Strich durch die Rechnung machen. Doch das soll Senioren nicht den Lebensalltag vermiesen. Helvetic Care hat sich darauf spezialisiert, Angebote für die Zielgruppe ab 55 Jahren zu fördern, damit diese im Bereich Alltag, Finanzen, Gesundheit oder Reisen bestens aufgestellt sind. Otto Bitterli ist Verwaltungsratspräsident der Helvetic Care und hat das Unternehmen nach einer Neuaufstellung mit aufgebaut. Er ist zwar kein Gründungsmitglied, doch nach der Umstrukturierung fing er quasi wieder bei Null an. Welche besonderen Herausforderungen das mit sich brachte, berichtet er im Gründer-Geheimnis.
Unternehmensaufbau
Was genau ist die Geschäftsidee hinter Helvetic Care?
Helvetic Care betreibt eine Plattform (helveticcare.ch) für „selbstbestimmtes Leben im Alter“. Wir wollen die Zielgruppe der 55 – 75-Jährigen Menschen unterhalten, informieren, orientieren und sie mit Angeboten von Partnern vernetzen.
War die Idee für das Unternehmen von Anfang an vollkommen ausgereift?
Nein, überhaupt nicht! Zu Beginn war die Plattform auf „Transparenz hinsichtlich von Pflegeangeboten“ ausgerichtet. Wir haben festgestellt, dass wir damit nicht weiterkommen würden, und Idee und Unternehmung fast aufgegeben. Gleichzeitig konnten wir erkennen, dass Interesse seitens der User vorhanden war. Wir haben dann eine neue Strategie entwickelt.
Warum hast du dich als Senior entschieden, in das Unternehmen einzusteigen?
Ich hatte als vormaliger CEO einer Krankenversicherung viele Berührungspunkte im Zusammenhang mit Pflege und der Problematik, dass die Menschen immer älter werden. Mich in diesem Kontext ganz konkret einbringen zu können, hat mich motiviert. Auch bin ich mit 62 persönlich direkt betroffen.
Warum habt ihr euch dafür entschieden, Helvetic Care aufzubauen? Was ist die Vision von Helvetic Care?
Die Vision hat verschiedene Aspekte:
- diese Bevölkerungsgruppe wächst stark und wird von vielen Industrien stiefmütterlich behandelt
- Viele Angebote sind noch intransparent
- Die gesellschaftliche Planung für die älteren Menschen (z. B. Altersheime) korrespondiert schlecht mit den Bedürfnissen der Menschen
- Viele Themen und Angebote werden zwar einzeln für sich aufgezeigt. Über die Zusammenhänge findet man aber wenig (z. B. die Themen „Gesundheit“, „Pflege“, „Mobilität„, „Finanzierung“). Die Problematik trifft die Menschen aber meistens integral.
Warum habt ihr euch für den Namen „Helvetic Care“ entschieden? Gab es vorher schon einen anderen Namen?
Der Name „Helvetic Care“ kommt von den ursprünglichen Gründern. Das „Helvetic“ hat uns an sich gut gefallen. Hingegen waren wir mit „care“ nicht so glücklich. Wir wollen die Menschen ja mehr im Hinblick auf die eigene Perspektive und Planung für das Alter ansprechen und nur indirekt in Bezug auf care. Da der Name aber bereits existierte und eingetragen war, haben wir den weitergeführt.
Was war beim Aufbau des Unternehmens die größte Herausforderung?
Einerseits ist eine kleine und sich im Aufbau befindende Organisation „verletzlich“. Geht zum Beispiel jemand, dann kann das gleich zu einer Existenzfrage werden. Andererseits muss man sich permanent anpassen: Die Veränderungsfähigkeit stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten.
Die Branche
Wie viel Potenzial besitzt diese Branche, warum hast du dich für diesen Bereich entschieden?
Wir sind keine Branche im herkömmlichen Sinne. Wir durchbrechen die Branchengrenzen und bringen Informationen und Angebote „Cross-industriell“ an die älter werdenden Menschen. Das Potenzial ist aber immens, weil die Zielgruppe massiv wächst und die klassischen Branchen teilweise noch wenig marktorientierte Angebote für diese Zielgruppe haben. Viel traditionelles Business ist immer noch stark auf die jungen Menschen ausgerichtet und scheint, wie mit der Pension, beendet zu sein. Dabei steigt das Lebensalter weiterhin an und die Spanne zwischen „Pension und Ableben“ wird immer länger.
Wer zählt zur Zielgruppe von Helvetic Care?
Wir haben die Kernzielgruppe zwischen 55 und 75 Jahren angesetzt: Es geht darum, dass man sich rechtzeitig im Hinblick auf das (hohe) Alter organisiert. Interessant ist, dass wir auch im Segment der 45 – 55-Jährigen sehr stark gewachsen sind.
Wir sprechen Frauen und Männer aus urbanen und ländlichen Gebieten in der deutschsprachigen Schweiz an. Das Verhältnis zwischen Frau und Mann liegt bei 60 zu 40 Prozent. Insgesamt erreichen wir die Menschen in urbanen Umgebungen besser als jene auf dem Land.
Welche Trends nimmst du in dieser Branche gerade wahr?
Mittlerweile erkennen sehr viele das Potential. Intellektuell ist klar, dass man für diese wachsende Gruppe der Menschen mehr machen müsste. Aber beim „wie genau“ ist man nach wie vor vorsichtig und zurückhaltend. Die Entwicklung läuft parallel zur gesellschaftlichen Veränderung. Man hat nach wie vor den Eindruck, dass alle Pensionierten glücklich und zufrieden in der Schweiz mit dem Zug rumfahren sollten. Dabei wandeln sich jedoch die Bedürfnisse.
Welche Meilensteine hast du mit Helvetic Care schon erreicht?
Wir sind bei sehr wenig User gestartet und zählen heute durchschnittlich 50.000 User pro Monat. Darauf sind wir stolz. Unser Content findet Interesse. Wir konnten mit großen und renommierten Unternehmungen Partnerschaften schließen und beweisen, dass wir mit Angeboten auf Interesse bei den User stoßen. So haben wir zum Beispiel unzählige Kursanmeldungen für eine „digitale Ausbildung“ vermittelt.
Unsere zu Beginn festgelegte SEO-Strategie geht kontinuierlich auf und wir können systematisch zulegen. Und: wir haben uns auf der Technologieseite unabhängig aufgestellt.
Was macht Helvetic Care so besonders?
Wir sind ein „Ökosystem“ das auf ein Zielsegment (älter werdende Menschen) ausgerichtet ist und nicht aus Brancheninteressen hervorgeht. Damit unterscheiden wir uns gegenüber Plattformen, die zum Beispiel auf „Health“ oder „Well“ ausgerichtet sind. Die Menschen bewegen sich auf unserer Plattform gemäß ihren Interessen.
Was die direkte Konkurrenz zu Plattformen für das Alter angeht: Wir stellen die Information ins Zentrum und bieten keine „Mengentreiber“ wie „Spiele“ und „Dating“ an. Wir sind gleichzeitig konsumentenorientiert und im Interesse unserer Zielgruppe gerne auch mal provokativ.
Alltag
Welche Marketing-Kanäle hast du bisher genutzt?
Wir sind auf Instagram, Facebook und LinkedIn präsent und aktiv. Ich selbst bewege mich am meisten auf LinkedIn. Dieser Kanal passt für mich persönlich sehr gut und ich konnte mehrere Posts mit großer Reichweite absetzen.
Auf was in deinem Alltag kannst du nicht verzichten?
Ich bin permanent online aktiv. Freude macht mir, einen Artikel zu verfassen, ein Problem und Thema kreativ einzufangen und auf den Punkt zu bringen. Daher zählt die technische Ausstattung zu meinen täglichen Begleitern, genauso wie das Internet selbst.
Hast du einen spannenden Tipp für angehende Gründer?
Sei beharrlich und lasse dich nicht unterkriegen! Man erlebt in der Startup-Realität viele Hochs und Tiefs. Vor allem aus den „Tiefs“ muss man sich rausbewegen, neu motivieren und positiv in die Zukunft schauen können.
Nutzt du KI-Tools, um dir den Arbeitsalltag zu erleichtern?
Ich nutze wenig KI-Tools. Ab und an brauche ich diese für Übersetzungen von der einen in die andere Sprache. Ich bin da immer wieder erstaunt, wie gut die sind.
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