Irans Raketenschlag Iron Dome, Arrow und David’s Sling – so arbeiten die Schichten der israelischen Luftverteidigung
Über 300 Flugkörpern hat der Iran auf Israel abgeschossen. Fast alle konnten abgefangen werden. Doch Israel musste so seine Verteidigungsstrategie offenbaren.
Iron Dome – für viele ist dieser Begriff gleichbedeutend mit der Luftabwehr in Israel. Dabei handelt es sich bei dem Dome nur um einen Teil einer vielschichtigen Abwehr (Multilayer). Der Iron Dome wurde speziell gegen die Raketen der Hamas entwickelt. Das sind einfache Billig-Raketen, die in großer Zahl und auf sehr kleinen Entfernungen eingesetzt werden. Die Herausforderung ist dabei, dass der Iron Dome sehr schnell auf die Ziele reagieren muss – darum arbeitet er vollautomatisch. Und dass er in der Lage sein muss, eine Vielzahl von Zielen abzuschießen, also selbst große Mengen an (bezahlbaren) Abwehrwaffen benötigt.
Der Nachteil ist die begrenzte Reichweite des Systems. Der Iron Dome schützt nur eine Zone von etwa sieben Kilometern Durchmesser. Für Angriffe aus dem Iran ist er gewissermaßen die letzte Linie der Verteidigung. Drohnen, Raketen oder Marschflugkörper aus dem Iran sollten weit vorher gestoppt werden. Kommt gegen sie der Iron Dome zum Einsatz, ist vorher schon etwas schiefgegangen.
Test der Verteidigung Israels
Der Angriff des Iran ist vermutlich mehr ein Test der israelischen Luftverteidigung als ein Schlag, der Schaden verursachen sollte. Er begann mit dem Start einer Welle von einfachen Drohnen, die sich mit etwa 250 Stundenkilometer bewegen. Gefilmt, öffentlich kommentiert und von US-Satelliten beobachtet. Die Israelis und ihre Verbündeten aus den USA und Großbritannien plus die jordanische Luftwaffe haben versucht, diese Drohnen über dem Irak, Syrien und Jordanien abzufangen. Dem Vernehmen nach ist es dabei gelungen, große Teile der Drohnenflotte weit vor den Grenzen Israels auszuschalten, mit Hilfe der Luftwaffe und US-Installationen im Irak. Also ohne Eingreifen der raketengestützten Luftabwehr in Israel.
Israels Militär zufolge habe man gemeinsam mit Verbündeten die «überwiegende Mehrheit» der vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abgefangen, die meisten davon, bevor sie in den israelischen Luftraum eindrangen. In späteren Angaben ist von 331 Flugkörpern die Rede, von denen 324 abgefangen wurden.
Der Iran wiederum sprach von einem «Erfolg». Armeechef Mohammed Bagheri sagte am Sonntag im iranischen Fernsehen: «Die Operation ‹Ehrliches Versprechen› ist zwischen gestern Abend und heute Früh mit Erfolg ausgeführt worden und hat all ihre Ziele erreicht.» Nach Angaben des iranischen Armeechefs wurden keine zivilen Ziele oder Städte von den iranischen Geschossen ins Visier genommen. Es habe zwei Hauptziele gegeben: Das Geheimdienstzentrum, das die Informationen für den Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude im syrischen Damaskus geliefert habe, sowie der Militärstützpunkt Nevatim, von dem aus die F35-Kampfflugzeuge gestartet seien, die es bombardiert hätten. «Diese beiden Zentren sind beträchtlich beschädigt und außer Betrieb gesetzt worden.» Israel hatte versichert, dass die Nevatim-Basis zwar leicht getroffen worden sei, aber nach wie vor funktioniere.
Aber wie läuft die israelische Luftverteidigung grundsätzlich ab? Das System ist in mehrere Teile untergliedert:
Arrow
Dieses gemeinsam mit den USA entwickelte System soll Langstreckenraketen abfangen, darunter auch ballistische Raketen, die der Iran nach eigenen Angaben am Samstag abgefeuert hat. Das Arrow-System ist neuer und leistungsfähiger als die Patriot. Die Abwehrraketen messen etwa sieben Meter Länge. Je nach Typ liegt die effektive Reichweite bei 90 Kilometern beziehungsweise 150. Eine Besonderheit ist ihre hohe Geschwindigkeit, sie erreichen neunfache Schallgeschwindigkeit.
David’s Sling (Schleuder Davids)
Dieses System wurde erst 2017 in Dienst gestellt. David’s Sling kann sowohl gegen hochfliegende Ziele wie ballistische Raketen als auch gegen sehr tief angreifende Cruise Missiles eingesetzt werden. Die Reichweite soll allerdings nur etwa 25 Kilometer betragen
Patriot
Dieses in den USA hergestellte System ist das älteste Mitglied des israelischen Raketenabwehrsystems – es wurde schon während des Ersten Golfkriegs 1991 eingesetzt.
Iron Dome
Der Iron Dome ist speziell auf die besondere Bedrohungslage in Israel abgestimmt. Er schützt die Kurzstrecke. Die effektive Reichweite deckt eine Zone von nur sieben Kilometern Radius ab, das sind etwa 150 Quadratkilometer.
Der Iron Dome wurde von Anfang an dafür entwickelt, Schwarmattacken abzuwehren. Eine Batterie besteht aus einem Radar (EL/M-2084-Multi-Mode-Radar), einem Kontrollzentrum und bis zu vier Startern mit je 20 Raketen. Eine Einheit kann über 1000 Objekte erfassen und sechs angreifende Objekte gleichzeitig bekämpfen. Wegen des geringen Zeitfensters verlaufen die Abläufe weitgehend vollautomatisch. Das System erfasst einen Start, berechnet Flugbahn und Einschlagstelle und empfiehlt einen Einsatz – der dann freigegeben werden kann. Trotz der geringen Reichweite bleibt der Iron Dome das Herzstück der Sicherung Israels. Er ist die letzte Linie der Verteidigung. Sollten weitreichende Waffen ihr Ziel verfehlen, bleibt immer noch der Dome.
Entschlossener Aufklärungsangriff
Vom militärischen Ergebnis her hat die israelische Verteidigung in der Nacht zum Sonntag triumphiert und der Iran versagt. Die wenigen Flugkörper, die durchgedrungen sind, schlugen wenig präzise bei der Luftwaffenbasis Nevatim nieder. Weitere Schäden und ein verletztes Kind sind durch herabfallende Trümmer entstanden. Vermutlich sind die israelischen Angaben etwas geschönt. Videoclips deuten auf etwas mehr Treffer hin. Größere Schäden lassen sich in Israel nicht lange geheim halten. In wenigen Tagen wird man eine Übersicht über die wirklichen Schäden bekommen.
Ob die Operation ein Erfolg oder Misserfolg war, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Teheran hat die israelische Luftabwehr getestet. Mit einem Angriff, der so dimensioniert war, dass Israel in den «Ernstfall Modus» gehen musste. Welche Erkenntnisse und Schlüsse der Iran aus den Abwehroperationen Israels gezogen hat, kann man nicht beurteilen. Fest steht allerdings, dass auch ein Angriff mit 300 Flugkörpern für den Iran nur die Dimension eines Probe-Schusses hat. Das Potenzial der iranischen Fernwaffen ist in erster Linie ihre schiere Menge und in zweiter ihre hochstehende Technologie. Im Kern ist Teherans Ansatz einfach: Wer mehr Raketen hat, gewinnt die Auseinandersetzung. Das Kalkül des Irans wird sein, dass Israel bei der Abwehr «all in» gehen muss. Teheran hingegen wird bei dem Probeangriff nicht die exakte Blaupause einer größeren Attacke bekannt gegeben haben. Im Ernstfall dürfte das Regime weitere Optionen besitzen.
Bei einem ernsthaften Angriff müsste Israel mit ungleich mehr Flugkörpern rechnen. Doch selbst wenn es Teheran gelingen sollte die israelischen Abwehr zu übersättigen, wäre ein Triumph des Mullah-Regimes unwahrscheinlich. Bei einer großen Welle würden weit mehr Raketen ihre Ziele in Israel treffen. Aber selbst, wenn die Abfangquote drastisch sinkt, würde es nicht gelingen, das israelische Militär auszuschalten.