Krieg in der Ukraine Starlink abgeschaltet – Russland dominiert die elektronische Kriegsführung
Der russische Angriff im Raum Charkiw wurde von der elektronischen Kriegsführung unterstützt. Den Russen soll es gelungen sein, die Kommunikation der Ukrainer zu ihren Drohnen zu stören, dafür legten sie das Starlink-System in der Region lahm
Schock in der Ukraine: Beim Angriff der Russen im Raum Charkiw brach das Starlink-System komplett zusammen. Das berichtet die «Washington Post». Auf dem Satelliten-System basieren die Kommunikation und der Datenverkehr der ukrainischen Streitkräfte. Selbst die Drohnenpiloten sind auf die Satelliten angewiesen. Im Gebiet der kleinen FPV-Drohnen können die Ukrainer den Russen noch am ehesten Paroli bieten, wo sie schon bei Artillerie, Luftwaffe und schwerem Gerät wie Panzern unterlegen sind.
Bereits bei der Schlacht um Awdijiwka wurde das US-System gestört. Man nahm damals an, dass das auf recht primitive Weise geschah. Die Russen sollen sich auf dem Weltmarkt ebenfalls Terminals beschafft haben. Nahe der Front begannen diese Geräte dann, einen enormen Datenverkehr auszulösen, um das System so regional zu überlasten. Bei den Ukrainern brachen daraufhin die Datenübertragungsraten zusammen.
Starlink fiel komplett aus
Die Störung bei Charkiw scheint dagegen größer zu sein. Die «Washington Post» berichtet, dass am Morgen des russischen Angriffs die Kommunikation der 125. Territorialen Verteidigungsbrigade der Ukraine abgeschaltet wurde. «Ab einem bestimmten Punkt waren wir völlig blind», so ein Kommandeur einer Drohneneinheit mit dem Rufzeichen «Artist». «Das war das größte Problem, wir haben nicht gesehen, wie sie sich bewegten, wir haben nur über Funk oder Telefon gearbeitet, wo das noch funktionierte.» Die Drohnen-Feeds seien «einfach verschwunden».
Gegenüber der «Financial Times» klagte ein ukrainischer Soldat über den Mangel an EW-Ausrüstung. «Welche radioelektronische Kriegsführung? . . . Wir hatten keine. Ich möchte mich nicht einmal an die Tage in den Schützengräben erinnern. Unsere Jungs fielen wie die Fliegen.» Die Bedeutung der elektronischen Kriegsführung hat auch der neue russische Verteidigungsminister Andrej Belousow erkannt. In einer seiner ersten Äußerungen versprach er, die Versorgung der Truppe mit Drohnen und Störgeräten massiv zu verbessern.
Das ist nicht der einzige Erfolg der Russen im Bereich der elektronischen Kriegsführung. In den letzten Wochen wurde bekannt, dass vom Westen gelieferte smarte Waffen drastisch an Wirksamkeit eingebüßt haben. Die amerikanischen Excalibur-Granaten treffen eigentlich exakt ihr Ziel, den Russen gelingt es aber, die Ortsbestimmung der Granate zu stören. Ihre Trefferquote soll auf sechs Prozent gesunken sein. Viel versprach man sich auf von den GLSDB (Ground Launched Small Diameter Bomb), tatsächlich kommen sie kaum zum Einsatz.
Russischer Vorsprung
Die Dominanz der Russen in der elektronischen Kriegsführung ist wenig überraschend. Schon in der UdSSR versuchte man so, den amerikanischen Präzisionswaffen entgegenzuwirken. Der Analyst Lee Slusher schreibt: «Seit Beginn des Krieges im Donbass hat Russland fast ein Jahrzehnt lang experimentiert und Feinabstimmungen vorgenommen, zuletzt im Einsatz gegen Nato-Systeme. Im Gegensatz dazu hinkten die USA und die Nato aus verschiedenen Gründen hinterher.» Ein weiteres Problem für die Ukraine: Die avancierten EW-Fähigkeiten der Nato arbeiten luftgestützt und stehen Kiew daher nicht zur Verfügung.
Mike Nagata, ehemaliger Generalleutnant der US-Armee, urteilte harsch. Das US-Militär hinke immer noch seinem potenziellen Gegner hinterher: «Die Kluft zwischen dem, wo die Vereinigten Staaten sein sollten, und dem, wo wir sind, vergrößert sich meiner Meinung nach zwar nicht überall, aber an viel zu vielen Stellen.»
Russische Präzisionwaffen
Der Kampf im Bereich der elektronischen Kriegsführung ist ausgesprochen dynamisch. Jede Maßnahme wird nach kurzer Zeit von der Gegenseite konterkariert. Diese Dynamik wird zum Problem für die Ukraine. Das Starlink-System ist im Grunde ziviler, kommerzieller Natur und arbeitet weltweit. Es ist schwer vorstellbar, dass dieses System ununterbrochen verändert wird, um den Bedürfnissen der ukrainischen Streitkräfte zu entsprechen.
In der Region um Charkiw war das aber nicht die einzige böse Überraschung. Russland hat Granat-4 Drohnen so ausgerüstet, dass sie Ziele mit einem Laser markieren können. So wurden dann Panzer, Artilleriegeschütze und auch Schützengräben von Präzisionsgranaten vom Typ Krasnopol getroffen. Dazu verhinderten russische Drohnen den Aufbau wirksamer Verteidigungsstellungen. Sie wirken bis etwa 15 Kilometer hinter der Front. Unmittelbar an der Grenze konnten daher keine echten Befestigungen errichtet werden. Die Soldaten konnten zwar mit dem Spaten schanzen, aber größere Geräte wie Bagger oder Betonmischer wurden von den Russen ausgemacht und angegriffen.
Quellen: Washington Post, Business Insider, Defense One